Ein Hauch von Seide - Roman
Schwester sich wieder dem Mann zuwandte, aus dessen Armen Ella sie gerade gezerrt hatte.
Zu ihrer Erleichterung rief Janey: »Oh, da ist sie, da drüben.«
»Also, es war mir ernst mit dem, was ich gesagt habe. Ich möchte wirklich, dass Sie sich meinen Salon ansehen«, sagte Josh zu Rose.
Inzwischen war um sie herum mehr Platz, sodass Rose einen Schritt zurücktreten konnte. Sie wollte den Kopf schütteln, doch er kam ihr zuvor, indem er mit theatralischer Geste eine Visitenkarte aus der Tasche zog.
»Hier ist meine Karte. Überlegen Sie es sich.«
Rose sah, dass Ella und Janey ihr aufgeregt zuwinkten, also nahm sie die Karte und steckte sie in ihre Handtasche.
»Ich muss«, stammelte sie und ging zu den anderen.
»Schau, lass gut sein, ja, Ollie? Ich weiß, was ich tue.«
Die sture Miene, mit der Willie seinen Arm aus Olivers festem Griff befreite, verriet Oliver alles, was er über die Gemütslage seines Cousins wissen musste.
Sie standen mit ihrem Bier an der Bar ihres East-End-Pubs, des Royal Crown .
»Ich hab auch mal so gedacht wie du, Willie. Ich war ganz wild darauf, mir eine Karriere als Boxer aufzubauen, aber dann bin ich ins Nachdenken gekommen …«
»Du meinst, deine Ma hat für dich nachgedacht«, unterbrach Willie ihn. »Ich lass mir von dir nicht vorschreiben, was ich zu tun und zu lassen habe, Ollie. Harry Malcolm meint, ich habe eine gute Zukunft vor mir und dass schon gemunkelt wird, die Richardsons oder die Krays hätten Interesse an mir.«
Bei der Erwähnung der beiden berüchtigten Banden im East End runzelte Oliver die Stirn.
»Wenn du diesen Weg einschlägst, erwartet man von dir, dass du dich auf manipulierte Kämpfe einlässt, Willie«, warnte er.
Sein Cousin zuckte abschätzig die Schultern. »Nur wer nicht gut genug ist, bekommt gesagt, er soll verlieren, mir passiert so was nicht. Reggie kam neulich abends runter, um mir beim Sparring zuzusehen. Das würd er nicht machen, wenn er mich nicht an Bord haben wollt.«
Willie mochte der Meinung sein, er hätte das Zeug, den Durchbruch zu schaffen, doch Oliver hatte sich auf der Straße umgehört und erfahren, dass er eher als Boxringfutter gehandelt wurde denn als zukünftiger Champion. Er würde bloß als Sparringspartner für begabtere Boxer enden und für einen Hungerlohn in einem Boxclub arbeiten, statt bei Preiskämpfen gutes Geld zu verdienen.
Das Problem mit Willie war, dass er sich leicht verleiten und genauso leicht übers Ohr hauen ließ.
»Du bist ein Idiot, Willie.« Oliver verlor allmählich die Geduld. »Tu dich mit denen zusammen, und ich wette, dass dein Hirn am Ende Matsch ist oder du für die als Schläger arbeitest.«
»Du bist nur neidisch«, konterte Willie mit hochroten Wangen. »Weißt du, was dein Problem ist? Deine Mutter. Mein Dad meint …« Er unterbrach sich und scharrte plötzlich befangen mit den Schuhen über den Boden.
Oliver erstarrte. Das war nicht das erste Mal, dass er vage Andeutungen über seine Mutter zu hören bekam. »Nur zu, Willie. Dein Vater meint was?«, wollte er mit harter Stimme wissen.
»Ach, lass gut sein, ja, Ollie? Aber deine Ma führt sich immer auf, als wär für sie nichts gut genug. Meine Ma findet es köstlich, dass sie so daherkommt, wo sie doch nicht mehr ist als ’ne verdammte Putzfrau, aber mein Dad …«
Er unterbrach sich wieder, und sein Gesicht lief rot an, während Oliver die Lippen zu einem zornigen roten Strich zusammenkniff.
Er müsste eigentlich daran gewöhnt sein. Schließlich hatte er schon als Kind gelernt, das Geflüster und die verstohlenen Blicke der Leute, wenn sie über seine Mutter sprachen, mit einem Achselzucken abzutun. Der Klatsch, der reiche Witwer, bei dem sie putzte, wäre verantwortlich für ihre gute Figur und ihre elegante Erscheinung.
Oliver blickte finster drein. Der Gedanke, seine Mutter könnte sich für ihren reichen Chef zurechtmachen, behagte ihm nicht, umso mehr, als Herbert Sawyer ihn im Laufe der Jahre immer wieder unterstützt hatte.
Er ballte die Hände zu Fäusten und löste sie bewusst langsam wieder. Er war nicht hergekommen, um sich mit seinem jüngeren Cousin – oder jemand anderem – zu prügeln. Das hatte er vor langer Zeit hinter sich gelassen.
»Ach, mach doch, was du willst«, sagte er zu seinem Cousin und setzte sein Bierglas ab, »aber komm hinterher nicht heulend zu mir gerannt, wenn du auf der Anklagebank sitzt und eingebuchtet wirst, weil du auf Befehl von Reggie Kray deine Fäuste gegen
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