Ein Hauch von Seide - Roman
würde. Einen solchen Mann zu einem hingebungsvollen Bewunderer zu machen war eine Herausforderung, im Gegensatz zu den vier Jungen, denen ins Gesicht geschrieben stand, dass sie sie nur allzu bereitwillig bewunderten. Emerald mochte ältere Männer, zumindest eine gewisse Sorte älterer Männer – nicht solche wie Gwendolyns widerlichen Vater. Es erregte sie, wenn sie mit ihr flirteten und köstliche Andeutungen auf unschickliche Vergnügungen machten.
Emerald hatte noch keinen Liebhaber – sie konnte keinen Skandal riskieren. Und sie würde niemals in die Versuchung kommen, einem jungen Mann Freiheiten zu erlauben oder zu weit zu gehen. Dazu war sie sich ihres Wertes als »unverdorbene« Jungfrau viel zu sehr bewusst. Doch wenn sie sich einen Liebhaber nahm, müsste es einer sein, der wusste, was er tat, kein dummer Junge. Das ging natürlich erst, nachdem sie den Herzog geheiratet hatte. Manche Mädchen fanden es altmodisch, sich ihre Jungfräulichkeit zu bewahren, doch die würden sich wahrscheinlich auch mit irgendeinem Ehemann zufriedengeben, während für Emerald nur das Beste gut genug war.
Die jungen Männer an ihrem Tisch waren Studenten an der Sorbonne, so hatten sie jedenfalls behauptet, als Emerald Anfang der Woche im Bois de Boulogne ihre Handtasche fallen gelassen und einer von ihnen sie für sie aufgehoben hatte.
Emerald hatte sich gleich bereit erklärt, sich mit ihnen zu treffen. Schließlich hatte sie nicht die Absicht, etwas zu tun, was ihre Chancen, die Gemahlin des Herzog von Kent zu werden, beeinträchtigen könnte. Doch es amüsierte Emerald, dass Gwennie ganz glotzäugig und trotzig dreinschaute, als würden sie sich gleich in einem Bordell niederlassen. Dabei tranken sie doch nur in einem Café eine Tasse Kaffee. Emerald gefiel es, wenn Gwennie sich unbehaglich fühlte. Wie dumm sie war. Glaubte sie wirklich, irgendein Mann würde sie beachten, solange Emerald in der Nähe war?
»Ich finde wirklich, du hättest uns nicht herbringen sollen«, murmelte Gwendolyn.
»Ich habe euch nicht hergebracht, ihr wolltet mich unbedingt begleiten«, konterte Emerald, öffnete ihr goldenes Zigarettenetui mit den eingelegten Halbedelsteinen, die von derselben Farbe waren wie ihre Augen – eine Neuanschaffung von einem Juwelier in der Rue du Faubourg-Saint-Honoré –, und holte eine der hübschen bunten Sobranie-Zigaretten heraus.
Augenblicklich wurden vier Feuerzeuge gezückt. Ehrlich, das ist fast wie in einer dieser Anzeigen in Vogue , dachte Emerald. Wie dumm und unreif Lydia und Gwendolyn wirkten, reizlos und klobig. Emerald strich den Saum ihres schwarzen Wollrocks glatt und ließ ihre Fingerspitzen dabei absichtlich auf ihren in hauchfeine Strümpfe gekleideten Beinen liegen. Sie fände es grässlich, so reizlos zu sein wie Gwennie. Da wäre sie lieber tot.
Sie erlaubte einem der vier jungen Männer, ihre Zigarette anzuzünden, und lachte, als er ihre freie Hand nahm und an seine Lippen drückte. Französische Jungen waren so possierlich und charmant. Charmant, aber natürlich keine Herzöge.
Emerald zog ihre Hand an sich und sagte mit falschem Bedauern: »Wir müssen wirklich gehen.«
»Ich muss der Comtesse sagen, was du gemacht hast«, verkündete Gwendolyn selbstgerecht auf dem Rückweg.
»Ich habe doch gar nichts gemacht«, leugnete Emerald.
»O doch. Du hast die Bekanntschaft dieser Jungen gemacht und dich von einem küssen lassen. Dir ist aber schon bewusst, dass so etwas deinen Ruf ruinieren und Schande über deine ganze Familie bringen kann, oder?«
Emerald blieb mitten auf dem Trottoir stehen, und die beiden anderen Mädchen mussten ebenfalls anhalten.
»Wenn ich du wäre, Gwendolyn, dann würde ich nicht so eifrig übers Petzen reden und darüber, der Ruf der Leute wäre ruiniert, und sie würden Schande über ihre Familie bringen. Nicht an deiner Stelle.«
Bei diesen mit ruhiger, fast tödlicher Überzeugung vorgebrachten Worten blickte Lydia ängstlich auf, während Gwendolyn spröde erklärte: »Was meinst du damit, an meiner Stelle? Ich habe nichts falsch gemacht.«
»Du vielleicht nicht.« Emerald unterbrach sich. »Aber dein Vater, der ist nämlich ganz wild auf hübsche junge Mädchen, nicht wahr, Gwendolyn?«
Gwendolyns Gesicht entflammte in einem kläglichen Scharlachrot.
»Habe ich dir nicht erzählt, dass ich ihn neulich mit einem hübschen jungen Ding am Arm aus einem Laden in der Rue du Farnbourg-Saint-Honoré kommen sah? Aber ich bin ja auch keine
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