Ein Hauch von Seide - Roman
und kann die Einladung meiner Tante annehmen.«
»Dann muss ich das natürlich auch tun.«
Weder bekam sie eine Tasse Tee angeboten, noch wurde ihr vorgeschlagen, sich zu setzen und Lady Fitton Legh ein wenig davon zu erzählen, wie es ihr und Lady Fitton Leghs beiden Nichten in London erging. Ihr schlug nichts anderes entgegen als Eiseskälte, und so war Rose erleichtert, als sie sich verabschieden konnte.
»Emerald, wie unhöflich von dir, Dougie so den Rücken zuzukehren.«
Amber und Emerald waren in Emeralds Schlafzimmer in Denham. Die Fenster waren offen, um die späte Aprilsonne hereinzulassen. Emerald starrte ihre Mutter wütend an.
»Ich wünschte wirklich, du wärst netter zu Dougie. Er tut sein Bestes, der arme Junge. Er ist am Freitag mit dem denkbar größten Geschenkkorb von Fortnum’s hier angekommen, aber er fühlt sich sichtlich unbehaglich und ist unsicher, und das ist nur natürlich. Es ist an uns, alles in unserer Macht Stehende zu tun, um ihm zu helfen, diese schwere Zeit zu überstehen. Du behandelst ihn nicht nur grob, sondern auch gemein und boshaft. Er gibt sich große Mühe, um sich anzupassen, plaudert mit Jay über die Gutsverwaltung und …«
»Klar, in deinen Augen ist er damit perfekt, Mummy. Aber hast du mal überlegt, wie mein Vater sich fühlen würde, wenn er wüsste, dass ein ungebildeter Australier seinen Platz einnimmt?«
»Ich weiß, dass dein Vater Dougie mit sehr viel mehr Freundlichkeit begegnet wäre als du, Emerald. Ich bin wirklich schockiert über dein Benehmen, umso mehr angesichts der Großzügigkeit, mit der er dir erlaubt, in Lenchester House wohnen zu bleiben und deinen Ball dort abzuhalten. Er hätte jedes Recht, dich zu bitten, das Haus zu verlassen und den Ball abzusagen. Das Mindeste, was du tun kannst, ist, ihm zu helfen, gesellschaftlich Fuß zu fassen. Ich habe ihn zu deinem Debütantinnenball eingeladen, und angesichts der Tatsache, dass er jetzt das Familienoberhaupt ist, wird er natürlich an diesem Abend dein Partner sein.«
»Nein! Das kannst du nicht machen. Da spiele ich nicht mit. Ausgeschlossen!«
Emerald hatte darauf gesetzt, dass bei ihrem Ball keine männlichen Verwandten zugegen sein würden, und das hatte sie als Druckmittel benutzen wollen, um den Herzog von Kent dahingehend zu beeinflussen, an diesem Abend ihr Partner zu sein. Und jetzt hatte ihre Mutter, ohne sich mit ihr zu beraten, verabredet, dass der verhasste Schaffarmer, der behauptete, der Erbe ihres Vaters zu sein, an diesem Abend ihr Partner sein sollte.
Begriff ihre Mutter denn nicht, wie demütigend es für sie war zuzugeben, dass so ein linkischer Tölpel der neue Herzog war, ohne dass sie sie auch noch zwang, ihn zu ihrem Ball einzuladen und ihre ganzen Pläne über den Haufen zu werfen? Wie typisch von ihrer Mutter, Emeralds Gefühle völlig zu missachten, um die eines anderen zu schonen. Amber hatte Emerald nie an erste Stelle gesetzt, ihr nie die ausschließliche Liebe zuteilwerden lassen, die ihr, wie sie fand, zugestanden hätte. Stattdessen hatte sie andere vorgezogen, Menschen, die so weit unter Emerald standen, dass es eine zusätzliche Beleidigung für Emerald war, dass ihre Mutter so viel Getue um sie machte. Menschen wie Rose und jetzt dieser abscheuliche Australier.
»Er kann unmöglich zu meinem Ball kommen. Er weiß sich doch gar nicht zu benehmen. Er macht sich nur zum Gespött der Leute.« Und mich mit, wenn ich nicht aufpasse, dachte Emerald.
»Dougie mag in der Art und Weise, wie die Dinge in der Gesellschaft gemacht werden, nicht besonders versiert sein, doch das ist nicht seine Schuld. Es ist an uns allen, besonders aber an dir, Emerald, ihm in dieser Hinsicht zu helfen. Dein Vater hätte es so gewollt und von dir erwartet. Wenn Robert etwas verhasst war, dann Standesdünkel.«
»Stell dir vor, Mama hat Tante Cassandra und John für heute Abend zum Abendessen eingeladen. Tante Cassandra wird an uns rumkritteln, und John wird uns mit Geschichten über die Landwirtschaft langweilen«, beklagte Janey sich bei Rose, als sie im Salon an ihrem Gin Tonic nippten, den Janeys Vater für alle gemacht hatte. »Er hat tatsächlich heute Nachmittag angerufen und mich gefragt, ob ich morgen früh als Erstes mit ihm ausreiten will.«
Rose verschüttete fast ihren Aperitif, als zuerst Schock und dann Eifersucht sie durchfuhren.
»Ich habe natürlich abgelehnt. Ich stehe doch nicht im Morgengrauen auf, um mir dann anzuhören, wie John über Schafzucht
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