Ein Hauch Von Sterblichkeit
Schlüssel bat, damit ich hierher fahren und mir den Grundriss vergegenwärtigen konnte, haben Sie mich an Austin Bailey verwiesen. Warum haben Sie nicht an den Schlüssel gedacht, den Sie Miss Müller gegeben hatten?«
»Ich habe Ihnen gesagt, was geschehen ist«, entgegnete Liam.
»Aber weil Sie Polizeibeamter sind, versuchen Sie, mir das Wort im Mund herumzudrehen. Aber es war nun einmal so und nicht anders!«
»Wenn wir schon Märchenstunde haben«, fuhr Markby ungerührt fort, »dann möchte ich Ihnen auch eine Geschichte erzählen. Miss Müller weiß, dass ich mich für alte Geschichten interessiere. Und diese hier ist vielleicht sogar ganz spannend.«
»Das bezweifle ich«, brummte Liam. Marita hob die Hand und vollführte eine kreisende Bewegung vor ihrer Stirn.
»Diese Geschichte ist wahrscheinlich genauso verrückt wie der Bulle selbst!« Markby lächelte freundlich.
»Wie dem auch sei – hören Sie sich an, was ich mir ausgedacht habe. Ein attraktiver und erfolgverwöhnter Forscher und eine wunderschöne junge Studentin beginnen eine Affäre. Das allein ist kein Verbrechen, also erheben wir keine Einwände dagegen. Ich bezweifle jedoch sehr stark, dass der Wissenschaftler wusste, was für eine starke Persönlichkeit diese junge Frau besaß, als die Sache anfing.« Markby wandte sich Marita zu und begegnete dem Blick aus ihren wütend blitzenden grünen Augen. Sie vollführte eine weitere kreisende Bewegung mit der Handfläche vor der Stirn.
»Der Wissenschaftler mag zwar berühmt sein, doch seine Arbeit hat sich in finanzieller Hinsicht bisher keineswegs ausgezahlt. Er ist abhängig von dem Geld, das seine Frau mit in die Ehe gebracht hat und das aus einem beträchtlichen Erbe stammt. Doch er ist seiner Frau überdrüssig geworden. Das Geld ist fast zur Gänze ausgegeben, und er beginnt zu überlegen, dass jetzt vielleicht der geeignete Zeitpunkt gekommen sein könnte, um seine Frau zu verlassen und mit seiner Geliebten neu anzufangen. Dann erbt seine Frau ein zweites Vermögen. Es steht überhaupt nicht zur Debatte, sie jetzt zu verlassen und das Geld und das behagliche Leben aufzugeben, das die Erbschaft ermöglicht. Darüber hinaus mag seine neue Geliebte nicht in einer gewöhnlichen Mietwohnung leben. Sie hat Blut gerochen und möchte Besseres. Also brüten der Wissenschaftler und seine Geliebte einen Plan aus. Einen herzlosen Plan, um die Ehefrau zu eliminieren und den Wissenschaftler in den Besitz ihres Vermögens zu bringen. Ich gehe davon aus, dass Mrs. Caswell keine weiteren lebenden Angehörigen besitzt? Und dass Sie und Mrs. Caswell sich testamentarisch gegenseitig zu Alleinerben bestimmt haben?«
»Das ist unerhört!«, wagte Liam mit bebender Stimme einzuwenden.
»Ich bin ganz Ihrer Meinung! Aber es wird noch unerhörter. Die beiden kommen auf eine Idee. Ein Jahr zuvor hat eine Gruppe militanter Tierschützer einen Anschlag auf das Labor verübt. Warum nicht diesen Zwischenfall als Vorwand benutzen, um jeden Anschlag gegen die Frau zu decken? Mehr noch, die junge Geliebte verkündet, dass sie in der Lage ist, eine Briefbombe zu basteln! Ich weiß nicht, ob Ihr Vater tatsächlich auf Kuba an agrochemischen Projekten gearbeitet hat, Miss Müller. Ich stelle mir eher vor, dass er Waffentechniker war. Wie dem auch sei … Die Briefbombe wird so aufgegeben, dass sie eintrifft, während der Wissenschaftler sich in Norwich aufhält. Nur, dass er wegen einer unvorhergesehenen Änderung der Pläne nicht nach Norwich fährt, sondern zu Hause sitzt, als die Briefbombe eintrifft. Allerdings kann er seine Frau dazu bringen, die Sendung zu öffnen. Sie ist rein zufällig nur an ›Caswell‹ adressiert, für den Fall, dass sich der Postbote später erinnern kann … Doch die Frau wird nicht getötet. Der Wissenschaftler erkennt, dass er sehr dumm war und sich in eine gefährliche Situation gebracht hat – und in die Hände einer gefährlichen Partnerin.« Markby nickte Marita zu.
»Doch er hat dem Teufel den kleinen Finger gereicht, wie das Sprichwort so schön sagt: Er kommt nicht mehr von ihr los. Der ursprüngliche Plan hat versagt. Er will aufgeben, doch die junge Frau denkt nicht daran, und der Wissenschaftler kann nicht viel dagegen tun – die Geister, die er rief … Unsere beiden Komplizen machen sich an den Kräutertees zu schaffen, die die Ehefrau so gerne trinkt. Sie experimentieren. Eine Weile bewirken die Tees nichts weiter als Unwohlsein. Die Zutaten müssen bereits im Sommer
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