Ein Hauch Von Sterblichkeit
Medizin wären nur durch den Einsatz von Versuchstieren möglich gewesen, doch ich neige dazu, diese Aussage in Frage zu stellen. Andererseits werden meine Ermittlungen nicht von dem diktiert, was ich privat denke. Ich bin Polizeibeamter und als solcher erwartet man von mir, dass ich das Gesetz vertrete. Und das Gesetz wurde hier auf mehr als nur eine Weise gebrochen!« Wie hartnäckig er an der Sache dranbleiben würde, war deutlich aus seiner Stimme herauszuhören. Sie kannte diesen Tonfall. Trotz ihrer Meinungsverschiedenheiten über seine Polizeiarbeit gab es niemanden, wie ihr nun bewusst wurde, den sie lieber an diesem Fall gesehen hätte, in den alte Freunde von ihr verwickelt waren. Diese plötzliche Einsicht beseitigte jedes Zögern, Alan Informationen über Liam zu geben.
»Sally hat mir erzählt, dass Liam in letzter Zeit völlig besessen ist von dem Buch, das er schreibt. Er hatte schon immer einen Tunnelblick.«
»Wie hast du die beiden kennen gelernt?« Der Kellner kehrte zurück, um rasch die Teller vom ersten Gang abzuräumen. Ahmed tauchte auf und betrachtete Merediths beinahe unberührte Vorspeisen mit sichtlichem Entsetzen.
»Hat es nicht geschmeckt?«
»Doch, selbstverständlich! Es tut mir Leid. Es war köstlich, aber ich bin nicht sehr hungrig.« Sie lächelte entschuldigend.
»Ich kämpfe noch mit den Nachwirkungen einer Grippe. Ich habe, muss ich gestehen, nicht besonders viel Appetit.«
»Die Grippe!«, sagte Ahmed wissend.
»Die Mutter meiner Frau hat auch …« Er ging kopfschüttelnd davon. Meredith faltete ihre Hände auf dem Tisch und sagte zerknirscht:
»Der arme Ahmed. Ich wollte sein Essen bestimmt nicht herabwürdigen! Was deine Frage angeht … ich kenne die Caswells schon ziemlich lange.« Ein Teller mit Naan-Brot tauchte auf.
»Wir haben uns kennen gelernt, als ich zum Foreign Service gegangen bin. Damals habe ich in London gearbeitet. Ich hatte eine Wohnung in Holland Park, im ersten Stock eines hübschen alten Hauses. Normalerweise hätte die Miete meine finanziellen Verhältnisse bei weitem überstiegen, doch das Haus gehörte einem Kollegen. Er war für ein oder zwei Jahre in Übersee und wollte einen Mieter, der mit einem kurzfristigen Vertrag einverstanden war. Es passte in seine Pläne, die Wohnung zu einem vernünftigen Preis an einen anderen Regierungsbeamten zu vermieten.« Ein würziger, pikanter Geruch kündigte das Eintreffen des Lammcurrys an. Die Unterhaltung stockte einmal mehr.
»Liam und Sally wohnten im Erdgeschoss. Sie waren noch nicht lange verheiratet. Liam hatte seine Zulassung als Arzt erhalten und arbeitete in einem der Londoner Krankenhäuser, doch er wollte in die Forschung. Meine Güte, ist das heiß!« Meredith hatte arglos einen besonders großen Bissen Lammcurry genommen, quasi als Wiedergutmachung für die vernachlässigte Vorspeise.
»Manche mögen’s heiß«, murmelte Alan etwas undeutlich.
»Diese Wohnung – lag die Höhe der Miete nicht auch ein wenig über den finanziellen Verhältnissen eines mittellosen jungen Arztes?«
»Oh, Sally hat Geld. Das heißt nicht, dass Liam keines hat – hatte. Ich kannte seine finanzielle Situation damals nicht. Doch Sallys Familie war wohlhabend.« Meredith stockte.
»Ich brauche wirklich einen Schluck Wasser.«
»Wasser macht es nur noch schlimmer.«
»Ich kann es nicht ändern. Frag bitte, ob sie mir eine Flasche Evian bringen können, bevor ich anfange Flammen zu spucken.« Ein grinsender Kellner brachte das Wasser, und Meredith trank in tiefen Zügen.
»Ah! Das ist schon besser! Sally ist genauso wie ich das einzige Kind später Eltern«, fuhr sie schließlich fort.
»Als wir herausfanden, dass wir diese Gemeinsamkeit besaßen, kamen wir ins Gespräch. Sie erzählte mir von ihrer Familie. Ihre Situation unterschied sich von der meinen dadurch, dass ihre Mutter gestorben war, als sie noch ein ganz kleines Mädchen gewesen war. Ihr Vater litt sehr darunter. Er hatte keine Absicht, erneut zu heiraten, doch er wollte auf der anderen Seite, dass es eine Frau gab, die für seine kleine Tochter da war, einen Mutterersatz. Also verkaufte er alles und zog mit seiner Schwester zusammen. Sallys Tante Emily war noch älter als ihr Vater. Sie hatte niemals geheiratet und lebte im Haus der Familie, dem Haus von Sallys Großeltern. Es war ein großes Haus in Surrey, und es gab mehr als genug Platz für Sally und ihren Vater.«
»Wie beneidenswert«, bemerkte Markby.
»Ich habe dir gesagt, dass Sally
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