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Ein Haus für vier Schwestern

Ein Haus für vier Schwestern

Titel: Ein Haus für vier Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georgia Bockoven
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an mir. Das habe ich für dich getan. Du warst noch so klein damals. Du hast einen Vater gebraucht.«
    »Hast du ihm deswegen erzählt, du hättest geheiratet, als er Frank besuchen wollte?«
    »Damals wollte ich ihn nur noch verletzen und ihm zeigen, dass ich ohne ihn zurechtkam.« Ihr Kinn zitterte. »Ihm war das egal. Ihn interessierte nur, dass er euch sehen konnte. Ich bedeutete ihm nichts.«
    »Es ist dir nicht in den Sinn gekommen, dass er alles herausbekommen würde?«
    »Darüber habe ich mir keine Gedanken gemacht.« Jetzt flossen die Tränen ungehindert. »Ich hatte diesen dummen Ring im Billigladen gekauft und habe ihn ihm gezeigt. Alles, was ich wollte, war ein bisschen Beachtung. Du weißt nicht, wie das mit uns war. Das kannst du gar nicht wissen. Darüber hat Jessie auf diesen Bändern sicher auch nicht gesprochen. Es hat mich zerrissen, dass ich ihn mehr brauchte als er mich. Ich hatte mich in ihn verliebt, da war ich dreizehn. Und ich habe keinen Weg gefunden, mich zu entlieben.«
    Eine tiefe Traurigkeit überkam Elizabeth. »Warum hast du mich zu Großvater geschickt?«
    Sie kannte die Antwort bereits.
    »Du hättest Jessie von dem Streit zwischen Frank und mir erzählt. Du hättest ihm gesagt, dass ich ihn zur Rekrutierungsstelle gebracht habe. Ich wollte dich dort lassen, bis Frank wieder zu Hause war.«
    »Ein ganzes Jahr?«
    Denise rang die Hände. »Ich wusste, dass Frank Jessie nie erzählen würde, was geschehen war. Sogar in seinem Hass schützte er mich immer. Aber dir konnte ich nicht vertrauen. Ich hatte Angst. Du hast deinen Vater nicht gesehen, als er nach Frank suchte.«
    Die Einzelteile fügten sich wie bei einem Puzzle langsam zu einem vollständigen Bild zusammen. »Du hast meine Briefe an Daddy nie abgeschickt.« Das war keine Frage, sondern eine Feststellung.
    »Ich konnte nicht.«
    »Und du hast ihn nicht angerufen, um ihn zu meiner Hochzeit einzuladen.« Eine dunkle Wolke senkte sich über sie.
    »Du hättest dich verplappert, und er hätte alles herausgefunden. Das durfte nicht geschehen.«
    »Er hat versucht, mich zu treffen, oder nicht?« Leere, Wut und Schmerz, die sie ein ganzes Leben als schwere Last auf ihren Schultern getragen hatte, fielen auf einmal von ihr ab. Und an ihre Stelle trat tiefes Bedauern. »Wie hast du ihn davon abgehalten?«
    »Warum müssen wir darüber reden? Was macht das denn heute noch für einen Unterschied?« Denise stand aus ihrem Schaukelstuhl auf und ging zur Terrassentür. Dort stand sie mit dem Rücken zu Elizabeth und starrte hinaus in den briefmarkengroßen Garten. »Jessie ist tot. In ein paar Jahren werde ich das auch sein. Dann ist alles vorbei. Warum kannst du die Dinge nicht ruhen lassen?«
    »Wie kannst du so etwas nur fragen?«
    »Weil es wirklich keine Rolle mehr spielt.«
    »Für mich spielt es sehr wohl eine Rolle. Es hat, verdammt noch mal, schon vor fünfzehn Jahren eine Rolle gespielt, als ich mich geweigert habe, ihn zu treffen. Und vor acht Monaten, als ich die Chance verpasst habe, ihn ein letztes Mal zu sehen. Hast du überhaupt die geringste Ahnung, worum du mich betrogen hast?«
    »Ich habe ihm gesagt, dass du glaubst, er wäre für Franks Tod verantwortlich. Und dass du dich geweigert hättest, ihn zu treffen.« Denise’ Schulter sanken nach vorn. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und schien sich in sich selbst zurückzuziehen. »Es war ihm egal. Er wollte dich trotzdem sehen. Ich überzeugte ihn … irgendwie.«
    »Wie?«
    »Ich beantwortete seine Briefe in deinem Namen und mit deiner Unterschrift.«
    Eine sinnlose Welle der Wut brandete durch Elizabeth hindurch und spülte die letzten Reste von Liebe und Verständnis aus ihrem Herzen und ihrem Hirn. »Was bist du nur für ein Ungeheuer? Du hast jede Nacht mein Weinen gehört, hast mich auf der Veranda auf die Post warten sehen und mir an meinem Hochzeitstag die Tränen abgewischt, als ich vergeblich auf ihn gewartet habe. Wie konntest du das nur tun? Wie konntest du nur?«
    »Was fällt dir ein, so mit mir zu sprechen?«, schrie Denise. »Ich habe mich zu Hause um dich gekümmert, während Jessie sich auf den Ölfeldern und auf diesen Partys in Hollywood herumtrieb. Ich habe dich gepflegt, wenn du krank warst. Ich habe dir jeden Morgen Frühstück gemacht, dich in die Schule und abends ins Bett gebracht. Für mich hast du immer an erster Stelle gestanden. Immer. Ich habe dich geliebt.«
    Elizabeth konnte ihrer Mutter nicht geben, was sie jetzt gebraucht hätte.

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