Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Haus für vier Schwestern

Ein Haus für vier Schwestern

Titel: Ein Haus für vier Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georgia Bockoven
Vom Netzwerk:
Ihr eigener Schmerz füllte ihr ganzes Sein. Sie musste ihn erst ausloten und seine Grenzen erkunden.
    »Ich denke jeden Tag an Frank.« Denise bedeckte ihr Gesicht mit den Händen. »Jeden Tag bitte ich ihn um Vergebung. Wann hört das endlich auf? Wann kommt der Tag, an dem ich genug gestraft worden bin? Ich habe ihn nämlich auch geliebt, weißt du?«
    Elizabeth nahm ihre Tasche. »Ich fahre.«
    »Ja, mach nur. Mach es deinem Vater nach. Lass mich allein. Frank war auch nicht besser. Ich habe ihn zwar in das Rekrutierungsbüro gebracht, aber unterschrieben hat er ganz allein. Er hätte sich weigern und ihnen sagen können, dass das Ganze meine Idee gewesen war.« Sie folgte Elizabeth bis zur Tür. »Ich bin nicht die Einzige, die Fehler gemacht hat. Er war genauso an seinem Tod schuld wie ich.«
    »Meine Güte, Mutter. Ist dir klar, was du da gerade gesagt hast?«
    Denise packte Elizabeths Arm. »Ich habe das nicht so gemeint. Du bringst mich dazu, solche Sachen zu sagen. Ich habe Angst, dich auch noch zu verlieren. Ich bin achtzig, Elizabeth. Mir bleibt nicht mehr viel Zeit.«
    »Du sollst mir leidtun, weil du schon so alt bist?« Sie erstickte fast an der Vorstellung. »Du hattest seitdem sechsunddreißig gute Jahre, die Frank nicht erleben durfte.«
    »Ich habe ihn nicht nach Vietnam geschickt«, schoss Denise zurück. »Das war die Armee.«
    »Ist das deine Rechtfertigung? Konntest du deswegen mit all den Dingen leben, die du getan hast?«
    Elizabeth wollte nur noch weg und nie mehr zurückkehren. Vielleicht würde sie ihr irgendwann vergeben, wie sie ihr in all den Jahren am Ende immer vergeben hatte. Aber das brauchte Zeit. Und Abstand. »Ruf mich nicht an, ich melde mich.«
    »Ich bin deine Mutter.«
    »Ich bin auch eine Mutter. Aber ich habe nie im Leben auch nur einen winzigen Augenblick lang geglaubt, dass mir das das Recht geben würde, mit dem Leben meiner Kinder zu spielen.«

47
    Rachel
    Rachel legte ihre Hände auf das Balkongeländer des Whale Watch Inn, schloss ihre Augen und lauschte den Wellen, die zehn Meter unter ihr auf den Strand schlugen. Die Luft war still. Es herrschte die Ruhe des Gezeitenwechsels. Der würzige Geruch der Pinien und Zedern und die Salznote der Gischt vermischten sich zu einem betörenden Duft. Eine Möwe schrie in der Ferne. Rachel öffnete ihre Augen und sah am Wellensaum einen Pelikan auf Futtersuche, der sich in Richtung Norden bewegte.
    Sie hatte in den Bergen gelebt und in der Wüste, in Städten und einmal sogar – ihre Mutter arbeitete als Köchin – auf einer einsamen Viehstation, die drei Stunden von der nächsten Stadt entfernt lag. Aber nur am Meer fühlte sie sich wirklich zu Hause. Dort fand sie Frieden. Die Wellen beruhigten Geist und Seele wie bei einem aufgeregten Kind, das sich beim Herzschlag seiner Mutter beruhigte.
    Jeff trat hinter sie, schob ihr Haar zur Seite und küsste sie in den Nacken. »Wann willst du fahren?«
    »Gar nicht.«
    »Hört sich gut an.«
    Sie drehte sich um und legte ihm die Arme um die Taille. Sie legte den Kopf in den Nacken und sah ihn an. »Ich liebe dich.«
    Jeff nahm ihre Hand und legte sie auf seine Brust. »Spürst du das?«
    »Was?«
    »Mein Herz setzt aus.« Dieses Mal küsste er sie auf die Lippen, feucht und offen. »Ich habe nicht geglaubt, dass du das je wieder zu mir sagen wirst.«
    »Von nun an wirst du es so oft zu hören bekommen, dass es dich langweilen wird.«
    Er nahm ihr Gesicht zwischen seine Hände und blickte ihr tief in die Augen. »Das wird nie geschehen. Ich werde nie vergessen, wie leer mein Leben ohne dich gewesen ist.«
    »Ich kann es gar nicht erwarten, den Kindern davon zu erzählen.«
    Er lächelte. »Ich möchte dich nicht enttäuschen, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass sie damit rechnen. Ich habe gehört, wie Cassidy zu Ginger gesagt hat, dass wir am Wochenende wegfahren, um zu entscheiden, was wir mit den Möbeln aus deinem Apartment machen.«
    »Und was hat Ginger geantwortet?«
    »Dass wir einen Garagenflohmarkt machen könnten.«
    »Wissen es eigentlich alle?«
    Er sah sie übertrieben enttäuscht an. »Also soll ich die Spruchbänder Willkommen zu Hause wieder abnehmen?«
    Rachel lachte. »Du warst dir ziemlich sicher, oder?«
    »Eher wild entschlossen. Ich wollte auf keinen Fall, dass bei diesem Wochenende etwas anderes herauskommt.«
    Sie wandte ihr Gesicht wieder dem Meer zu und lehnte sich an Jeff.
    »Ich kann es fast nicht sagen.« Sie ballte die Faust und hieb auf die hölzerne

Weitere Kostenlose Bücher