Ein Haus für vier Schwestern
eifersüchtig, als ich Christinas Lachen und ihre aufgeregten Rufe hörte, die jetzt Enrique galten. Carmen erläuterte mir, warum sie wollte, dass ich meine Tochter nicht mehr traf. Der Schmerz war für mich kaum zu ertragen.
»Du siehst doch, wie gut Enrique mit ihr zurechtkommt und wie sehr sie ihn mag«, sagte sie. »Wir werden nächsten Monat heiraten.«
»Gratuliere.«
»Sie nennt ihn Papa«, fügte sie vorsichtig hinzu und überging meine sarkastische Bemerkung.
Ich schwieg und beobachtete Christina. Sie war der einzige Lichtblick in einem Leben ohne Richtung und Ziel. Im letzten Jahr hatte mein Dasein aus den Anstrengungen bestanden, die unternommen werden mussten, um sie zu treffen.
Aber was bedeutete ich ihr? Ich wusste, dass sie mich liebte. Ich konnte es in ihren Augen erkennen, wenn sie mich neben der Palme im Park entdeckte. Aber war das genug? War es von einer Vierjährigen nicht zu viel verlangt, ihre Liebe zwischen mir und Enrique aufzuteilen?
»Lass mich mit ihr allein«, bat ich schließlich.
»Du kannst den Rest des Tages mit ihr verbringen. Wir treffen uns um fünf wieder hier.«
Ich mag keine Zoos, weil auch die besten dieser Einrichtungen nur Tiergefängnisse sind. Aber ich wusste nicht, wo ich sonst mit ihr hingehen sollte. Ich versuchte nicht, ihr zu erklären, wie ihr Leben sich verändern würde, weil ich dachte, das wäre Carmens Aufgabe. Also verbrachte ich den letzten Tag mit meiner wunderschönen schwarzhaarigen Tochter auf meinen Schultern und versuchte, die Welt mit ihren Augen zu sehen.
Heute würde ich mich nicht so mehr entscheiden. Ich würde bleiben. Ich würde jeden bekämpfen oder bestechen, der es wagt, sich mir in den Weg zu stellen. Es war nicht das Beste für Christina, mich nicht mehr zu treffen. Doch im Nachhinein ist man immer schlauer.
Im Nachhinein weiß ich auch, dass ich niemals hätte nachgeben dürfen, als Elizabeth sich weigerte, mich zu treffen. Mein Platz wäre vor der Haustür gewesen, bis sie mich eingesperrt hätten und sobald ich auf Kaution wieder draußen war. Wir hätten eine Chance gehabt, dessen bin ich mir heute sicher. Vielleicht hätte sie mir das mit Frank vergeben. Vielleicht hätte sie mir sogar geholfen, mir selbst zu verzeihen.
Es war aber richtig, Ginger gehen zu lassen. Auch für Barbara.
Das Leben hat mich gelehrt, dass die Liebe nicht immer nur aus rosa Wolken besteht. Oft verletzt sie die Liebenden, mal nur einen, mal beide.
Ich denke, dass ist auch mit Rachel passiert. Anna hätte sie loslassen sollen, wie Barbara es mit Ginger gemacht hat. Aber sie konnte das nicht, weil sie ihre Tochter mehr liebte als sich selbst.
Elizabeth sah Christina an. »Fragst du dich manchmal, was aus dir geworden wäre, wenn er einen Weg gefunden hätte, dich bei sich zu behalten?«
Christina schüttelte den Kopf. »Da muss ich mich nicht fragen, ich weiß es.«
Sie lächelte Elizabeth an und zwinkerte ihr unter Tränen zu.
»Es ist, wie es ist«, sagte sie leise. »Das gilt für uns beide.«
51
Christina
Christina lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und rieb sich die Augen. Seit sieben Stunden editierte sie für das River City Studio einen Schulungsfilm des Sheriff Departments von Sacramento County. Sie war hungrig, hatte Kopfweh und stechende Schmerzen in Schultern und Nacken. Sie rollte ihren Kopf vor und wieder zurück, um die Verspannung zu lösen. Da sah sie Dexter, der an ihrer Tür vorbeischlich.
Sie drückte sich mit den Fersen ab, und der Stuhl sauste quer durch das Zimmer, durch die Tür und auf den Gang. »Dexter, wie lang ist meine Kündigungsfrist?«
Er steckte sich die Aktenmappe, in der er gerade gelesen hatte, unter den Arm und sah sie über die Gläser seiner Lesebrille hinweg an. »Gut, du kannst Pause machen.«
»Ich will keine Pause, ich will kündigen. In einem Monat bin ich auf dem Weg nach L.A.«
»Mist.« Er kam den Gang herunter, packte die Lehne ihres Stuhls und schob sie in sein Büro. »Darüber müssen wir reden.«
Sie rollte näher an seinen Schreibtisch und legte die Füße darauf. »Da gibt’s nichts zu reden.«
»Was wäre, wenn ich dir ein Angebot machen würde?«
»Ich hoffe, du hast nichts Unanständiges im Sinn.«
Sie arbeiteten seit mehr als sechs Monaten zusammen. Dexter war nie hinter ihr her gewesen. Obwohl ihr das nichts ausgemacht hätte. Er sah irgendwie ganz nett aus mit seinem rasierten Schädel und dem dunkelroten Bart. Aber er war nicht ihr Typ, dazu war er zu nett. Sie stand eher auf
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