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Ein Haus für vier Schwestern

Ein Haus für vier Schwestern

Titel: Ein Haus für vier Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georgia Bockoven
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beide anbeteten.
    »Komm mit nach Mexico City«, bot mir Carmen wenig begeistert an.
    »Mein Geschäft ist hier.«
    »Du musst die Erdbeeren nicht gerade hierher verkaufen, das geht auch woanders.«
    »Das Geschäft besteht darin, sie in die Vereinigten Staaten zu bringen.« Die Argumente waren allen Beteiligten seit Langem bekannt. »Damit verdienen wir unser Geld.«
    »Welches Geld?«, schoss sie zurück. »Seit Monaten habe ich keines mehr gesehen. Letzte Woche wollte ich meine Kreditkarte benutzen, und man sagte mir, die Rechnung wäre nicht beglichen worden.« Sie stand mitten in unserer kleinen Küche, die Arme vor der Brust verschränkt, und starrte mich an. »Hast du eine Vorstellung davon, wie erniedrigend das für mich gewesen ist?«
    »Es wird wieder aufwärtsgehen. Das ist immer so.«
    »Das ist mir egal. Ich will nicht hierbleiben. Ich will nach Hause, zu meiner Familie. Und sie wollen auch, dass ich heimkomme.«
    Das war mir neu. »Du hast mit deinen Eltern gesprochen?«
    »Ja«, gab sie zu. »Sie vermissen mich, und sie wollen ihre Enkelin in der Nähe haben.«
    Christina saß mit Malbuch und Stiften am Tisch und verpasste den Ohren von Mickey Mouse ein grelles Grün.
    »Ich will sie nicht verlieren«, sagte ich.
    »Wirst du auch nicht. Du kannst sie sehen, wann immer du möchtest.«
    »Wie soll das gehen, Carmen? Mexico City ist viele hundert Meilen entfernt.«
    Sie öffnete einen Schrank, nahm eine Pfanne heraus und knallte die Tür zu.
    »Du siehst sie jetzt auch kaum. Dauernd bist du mit Mario in Geschäften unterwegs.«
    »Du weißt doch, welche Schwierigkeiten wir in letzter Zeit hatten.«
    »Nein, weiß ich nicht. Du erzählst mir nie etwas.« Sie hob die Hand, um mich von einer Antwort abzuhalten. »Ich will es auch gar nicht wissen. Jetzt nicht mehr. Es ist zu spät.«
    Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, also schwieg ich.
    Sie legte mir eine Hand auf den Arm.
    »Ich weiß, dass du mich nie geliebt hast. Und du weißt, dass ich dich nie geliebt habe. Du warst nur nett zu mir, als du mich gefragt hast, ob ich dich heirate. Und ich war dir so dankbar, dass ich geglaubt habe, das würde genügen. Tat es aber nicht. Ich will mehr. Ich bin jung. Mein ganzes Leben liegt noch vor mir. Und das will ich nicht in einer Ehe ohne Liebe verschwenden.«
    Auch darauf konnte ich nichts sagen. Sie und Christina verließen mich in der folgenden Woche. In jenem Sommer brach dann auch das Erdbeergeschäft zusammen. Mario und ich retteten genug Kapital aus den Trümmern, um ihm einen neuen Start in einer anderen Branche zu ermöglichen. Mir blieb genug Geld, um ab und zu Christina zu besuchen und mich nach einer neuen Idee umzutun.
    Ich hatte nie gelernt, Spanisch zu lesen. Trotzdem ging ich mit den Scheidungspapieren nicht zum Anwalt. Ich vertraute Carmen und wusste nicht, dass ihr Vater dahintersteckte. Es war mir nicht klar, dass ich auf meine väterlichen Rechte verzichtete, als ich den Vertrag unterschrieb.
    Um fair zu sein, muss ich sagen, dass auch Carmen nichts davon wusste. Sie musste sich ihrem Vater unterordnen, um wieder in den Kreis der Familie aufgenommen zu werden. Und sie tat es, ohne sich über die Folgen klar zu sein.
    Als mir meine Besuche untersagt wurden, habe ich einen Anwalt eingeschaltet. Umsonst. Carmen stahl sich manchmal mit Christina aus dem Haus, damit sie mich sehen konnte. Aber unsere gemeinsam verbrachte Zeit litt unter den Umständen und der Anspannung und war immer zu kurz.
    Eines Tages kam ein Mann mit den beiden in den Park, Enrique Alvarado. Carmen stellte ihn als Freund vor, aber mir war klar, dass viel mehr dahintersteckte. Sie betete ihn an. Und Christina tat das auch.
    Er war Mitte dreißig, konnte sich gut ausdrücken und trug seinen maßgeschneiderten Anzug, als wäre er darin geboren worden. Im Vergleich dazu wirkte ich in meinen kurzen Hosen und dem Hawaiihemd wie ein in die Jahre gekommener Surfer, der zu viele Mai Tais getrunken und zu lange in der Sonne gelegen hatte.
    Carmen nahm mich am Arm. »Können wir reden? Allein? Ich muss dir etwas sagen.«
    Sie hatte Englisch immer nur mit einem Hauch von Akzent gesprochen und Christina nie Spanisch beigebracht. Jetzt hörte sich ihr Englisch plötzlich an wie eine Fremdsprache.
    Mir war klar, dass mir nicht gefallen würde, was sie mir erzählen wollte. »Sofort?«
    »Enrique wird auf Christina aufpassen.«
    Ich folgte ihr zu einer Bank. Christina kletterte auf eine Schaukel, und Enrique sah ihr zu. Ich war

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