Ein Haus für vier Schwestern
Überzeugung und Sorgfalt Nachdruck verleihen werde. Wie lange das gesamte Erbe dann unter Verschluss bleibt, hängt von den Prozessterminen und den Revisionen ab, wenn es denn welche geben sollte. Und noch etwas sollte Ihnen klar sein: Ihr Zehn-Millionen-Anteil würde sicher merklich unter den Anwalts- und Gerichtskosten leiden.«
»Das klingt wie eine Drohung«, meinte Rachel.
»Tut mir leid, wenn sich das so angehört haben sollte, das war nicht beabsichtigt. Ich sehe es als meine Aufgabe an, Ihnen alle Bedingungen und Folgen so deutlich wie möglich vor Augen zu führen. Ihnen muss völlig klar sein, dass es keinen Weg gibt, die Wünsche Ihres Vaters ohne Konsequenzen zu missachten.«
»Warum eigentlich?«, fragte Ginger. »Warum geht er uns sein ganzes Leben lang aus dem Weg und erpresst uns dann, so etwas zu tun? Für mich ergibt das keinen Sinn.«
Lucy brauchte einen Moment für ihre Antwort. »In erster Linie dachte Ihr Vater praktisch. Ihm war klar, dass Sie seinem einfachen Wunsch nicht ohne Druck nachkommen würden.«
»Einfach?«, entfuhr es Elizabeth.
»Hm, das habe ich nicht gemeint«, sagte Ginger. »Warum zwingt er uns zu diesen monatlichen Treffen? Wäre es nicht einfacher, die Aufnahmen zu kopieren, damit wir sie uns allein anhören können?«
»Als ob das jemand machen würde«, nuschelte Christina hinter vorgehaltener Hand, damit ihre Abneigung gegenüber ihren Schwestern nicht allzu deutlich wurde. Sie wandte sich Elizabeth zu, die sie von Anfang an nicht gemocht hatte. Allein aus dem Grund, dass Elizabeth sie nicht mochte. »Was jetzt, Miss Selbstgerecht?«
Elizabeths Augen wurden zu Schlitzen. »Weißt du, mir wird immer deutlicher, warum Jessie dich sitzengelassen hat. Ich sage das nicht gern, aber da kann ich ihn durchaus verstehen.«
»Aua«, quetschte Christina mit einem sarkastischen Unterton heraus. Sie warf ihr Haar über die Schulter zurück und stellte sicher, dass die rosa Strähnen deutlich zu sehen waren. Dann lächelte sie breit und offenbarte damit unabsichtlich ihre verdrahteten Zähne.
Elizabeth zuckte zusammen. »Was ist denn mit dir passiert?«
»Wahrscheinlich hat sie eine gescheuert bekommen«, vermutete Rachel.
»Nie im Leben.« Das war Ginger.
Scheibenkleister.
26
Rachel
»Es war nicht so, wie ihr denkt.« Christina bemühte sich um Deutlichkeit und machte nach jedem Wort eine Pause.
War es doch. Rachel konnte das in ihren Augen erkennen. So hatte ihre Mutter auch immer ausgesehen, wenn die Schläge von einem ihrer Kerle sichtbare Spuren hinterlassen hatten und jemand sie darauf ansprach.
Du lieber Himmel, was war bloß mit Frauen los, die in ihrer Scham die Schläger schützten? Wenn Jeff jemals – nein, das war undenkbar. Jeff schlug keine Frauen. Sie hatte aber Männer gekannt, die das konnten und auch taten – Jeff glich ihnen mit keiner Faser seines Wesens.
Sie konnte Christina jetzt bedrängen oder ihr helfen. »Ein Autounfall?«, soufflierte Rachel.
Christina nickte und sah Rachel an, dankbar für die unerwartete Freundlichkeit.
»Das ist ja furchtbar«, sagte Ginger. »Ist sonst alles okay? Wurde noch jemand verletzt?«
Christina wedelte verneinend mit der Hand, deutete auf ihren Mund und zuckte mit den Schultern.
Etwas störte Rachel an dem Testament, doch sie konnte nicht sagen, ob es die Vorstellung war, sich sechs Monate unter Jessies Kontrolle zu befinden, oder ob es um das Testament an sich ging. Die Aufnahmen und der Zwang, ihm zusammen zuzuhören – das wollte irgendwie nicht zu dem Wenigen passen, was sie von Jessie Reed wusste. Vielleicht weniger zu dem, was sie wusste, als zu dem, was sie sich vorstellte. Er hatte sich nicht um sie gekümmert, solange er am Leben gewesen war – warum also ausgerecht jetzt? Das ergab keinen Sinn.
Was auch immer sein Grund gewesen sein mochte – auf jeden Fall hatte er ein Mittel gefunden, zu erreichen, was er wollte. Zehn Millionen Dollar waren schon sehr verlockend. Besonders wenn vergleichsweise wenig als Gegenleistung dafür verlangt wurde. Insgesamt vierundzwanzig Stunden in der Gesellschaft von drei Frauen zu verbringen, von denen sie eine sowieso mochte. Der Stimme eines Mannes zu lauschen, der versuchte, sein verwerfliches Tun zu rechtfertigen. Das konnte sie durchaus machen. Zum Teufel, sie hatte achtzehn Jahre mit einer Frau zusammengelebt, die sie hasste und sich ständig darüber beklagte, dass Rachel ihr Leben ruiniert hätte. Jessies Stimme wäre einfacher auszublenden als das
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