Ein Haus für vier Schwestern
Abschriften?«, fragte Elizabeth.
»Selbstverständlich.« Lucy sah sie nacheinander an, legte dann das Testament weg und beugte sich nach vorn. »Im Prinzip ist es so: Die eine Hälfte vom Vermögen Ihres Vaters geht an die sieben Wohltätigkeitsorganisationen, die er bereits zu Lebzeiten unterstützt hat. Die andere Hälfte soll zu gleichen Teilen zwischen Ihnen als seinen einzigen lebenden Nachkommen aufgeteilt werden.« Sie wartete ein paar Augenblicke, bevor sie fortfuhr. »Dieses Erbe ist allerdings an Bedingungen geknüpft.«
»Welche Bedingungen?«, war Elizabeths misstrauische Frage.
»Darauf komme ich gleich zu sprechen«, erwiderte Lucy. »Zuerst sollten Sie wissen, worum es überhaupt geht. Ihr Anteil am Vermögen Ihres Vaters beträgt über zehn Millionen Dollar – für jede Einzelne von Ihnen.«
Die nachfolgende Stille war fast mit den Händen zu greifen. Es folgte hörbares tiefes Luftholen von allen außer Christina, die mit einem Erstickungsanfall kämpfte.
»Wie viel ist das nach Steuern?«, fragte Rachel.
»Die Steuern wurden bereits entrichtet«, antwortete Lucy.
Zehn Millionen Dollar? Christina versuchte vergeblich, diese Zahl mit ihrem Gehirn zu erfassen. In den letzten acht Jahren hatten sich ihre Vorstellungen von Wohlstand auf ein Auto beschränkt, das vier gute Reifen und eine intakte Windschutzscheibe besaß. Jetzt konnten sie sich eine Autohandlung kaufen, oder?
Das konnte nicht sein. Das war einfach nicht möglich. Jeder Drehbuchschreiber in L.A. würde für einen derart absurden Plot ausgelacht werden.
Zehn Millionen Dollar – nein, etwas über zehn Millionen Dollar. Wie viel war »etwas«? Zehn Cent? Tausend Dollar? Hunderttausend?
Elizabeth übernahm als Älteste die Führungsrolle. »Auf welche Weise ist ein Mann wie Jessie Reed zu so viel Geld gekommen?«
Christina drehte sich um und sah sie an. Elizabeth war kreidebleich. Zwei knallrosa Flecken zierten ihre Wangen.
»Ihr Vater war ein grundehrlicher Mann«, sagte Lucy mit offensichtlich großer Beherrschung. »Wäre er das nicht gewesen, würde sich sein Nachlass wahrscheinlich auf das zehnfache des aktuellen Werts belaufen.«
»Ich vermute, das ist eine Frage des Standpunkts und der Definition von ehrlich«, nahm Rachel die Herausforderung an. »Einige von uns kennen Jessie Reed von einer ganz anderen Seite.«
»Hört endlich damit auf«, zischte Christina. »Mich hat er auch verlassen. Aber habe ich mich jemals darüber beklagt?« Sie hätte genauso gut Sanskrit sprechen können.
Alle drehten sich zu ihr um und guckten verwundert. »Was hast du gesagt?«, fragte Rachel schließlich.
Verdammt! Über die Gründe für ihren verdrahteten Kiefer wollte sie keinesfalls mit ihnen reden.
Christina schüttelte also nur den Kopf und verschränkte die Arme vor der Brust. Hoffentlich verstanden sie den Hinweis und ließen sie in Ruhe.
»Es gibt eine Bedingung«, sagte Lucy. Damit richtete sich die Aufmerksamkeit wieder auf sie. »Sie alle müssen sich einmal pro Monat im Haus Ihres Vaters treffen, an sechs aufeinanderfolgenden Monaten und für mindestens vier Stunden. Während dieser Treffen werden Sie sich die Aufzeichnungen seiner Lebensgeschichte anhören, die er in den vier Wochen vor seinem Tod aufgenommen hat. Ihm war klar, dass Sie alle Fragen an ihn haben würden und dass er sie nicht mehr beantworten konnte. Also entschied er sich für diese Form der Mitteilung und hoffte, damit eventuelle Unklarheiten zu beseitigen.«
Ginger wollte etwas sagen, doch Lucy hob die Hand und brachte sie zum Schweigen. »Eine Sache noch. Diese Bedingung ist eine Voraussetzung, um das Erbe antreten zu können. Wer nicht an den Treffen teilnimmt, schlägt seinen Anteil am Erbe aus. Dieser wird dann zu gleichen Teilen auf die Wohlfahrtsorganisationen umgelegt. Wenn Sie jetzt Fragen haben, stehen ich Ihnen gern zur Verfügung.«
Elizabeth erhob sich. »Das wird keiner gerichtlichen Untersuchung standhalten.«
»Es gibt eine weitere Bedingung, die ich vergaß zu erwähnen«, sagte Lucy daraufhin. »Wer klagt, wird ebenfalls enterbt. Wenn Sie Nachforschungen diesbezüglich anstellen, Mrs Walker, werden Sie feststellen, dass dieser Passus für alle Testamente rechtsverbindlich ist, die im Staat Kalifornien ausgefertigt wurden«, sagte sie. »Sollte trotzdem eine von Ihnen das Testament Ihres Vaters anfechten wollen, fühle ich mich verpflichtet, Ihnen mitzuteilen, dass ich der Durchsetzung seines letzten Willens mit äußerster
Weitere Kostenlose Bücher