Ein Haus für vier Schwestern
hörte allerdings auf, nachdem sie dem Leiter der Kreditabteilung aus Oakland begegnet waren. Nicht, weil Marc nicht wollte, dass man sie zusammen sah. Nein, er wollte den Mann eigentlich rausschmeißen, und da sollte nichts Persönliches dazwischenkommen.
Die Krabbenquiche war super wie immer. Sie sollte wirklich öfter herkommen. Vielleicht mit Rachel, auf dem Heimweg von den Treffen aus Sacramento.
Ja, die Idee gefiel ihr, und Rachel hoffentlich auch.
Zehn Millionen. Jetzt hatte sie ein paar Stunden Zeit gehabt, sich an den Gedanken und die damit verbundenen Möglichkeiten zu gewöhnen. Aber es klappte einfach nicht. Ihr fielen zwar Dinge ein, mit denen sie ihre Eltern beglücken konnte, doch für sich selbst war das eine ganz andere Sache. Sie musste nie mehr arbeiten. Aber wenn sie nicht mehr arbeiten ging, was würde sie dann den ganzen Tag über anfangen? Sie könnte sich ein Haus kaufen – jedes Haus, das ihr gefiel. Aber wo? Alles hing von Marc ab. Sie konnte ihr altes Auto verschrotten. Aber was für eines wollte sie stattdessen? Sie mochte die teuren Wagen nicht, die Marc verkaufte. Aber er wäre beleidigt, würde sie woanders hingehen.
Allein der Gedanke regte sie auf. Was war eigentlich mit ihren Träumen, ihren Zielen, ihrem Ehrgeiz geschehen? Wann hatte sie aufgehört, an sich selbst zu denken? Ihr ganzes Leben drehte sich nur noch um Marc. Seine Welt bedeutete ihr alles.
Normalerweise ließ sie solche Gedankengänge nicht zu. Wozu auch? Sie liebte ihn, mit allen Vor- und Nachteilen, die das mit sich brachte. Leider hing es nicht vom Geld ab, ob sie zusammen sein konnten oder nicht.
Ginger sah Marcs roten Wagen, sobald sie auf den Parkplatz hinter ihrem Apartmentblock fuhr. Überraschung und Vorfreude ließen Schmetterlinge in ihrer Brust herumflattern. Seit drei Jahren war sie mit Marc zusammen, und sie fühlte sich jedes Mal so, wenn sie sich trafen. Das musste doch Liebe sein, oder?
Sie sah auf die Zeitanzeige am Armaturenbrett. Zehn nach fünf. Normalerweise kam er nie vor sechs von der Arbeit. Neugierig und besorgt zugleich, parkte sie ihr Auto auf ihrem schmalen Stellplatz. Da ihr Nachbar einen dicken SUV fuhr und ein bisschen auf ihrem Platz stand, klappte der erste Versuch nicht ganz. Sie musste noch einmal korrigieren, damit sie die Tür aufbekam. Doch wegen einer zugeparkten Autotür einen Nachbarschaftsstreit vom Zaun zu brechen war ihr viel zu anstrengend.
Marc öffnete ihr die Tür und begrüßte sie mit seinem berühmten Lächeln, das ihr sagen sollte, wie unendlich viel sie ihm bedeutete. Ihr war zwar klar, dass ihm das ziemlich leicht fiel, trotzdem konnte sie ihm nicht wiederstehen, sie war viel zu gutmütig.
»Was machst du denn hier?«
Anstelle einer Antwort packte er sie, zog sie in seine Arme und drückte ihr einen Kuss auf die Stirn. Dann folgte ein langer, intimer Kuss auf die Lippen.
»Wo hast du gesteckt? Ich warte seit über einer Stunde auf dich.« Es klang ein wenig anklagend.
»Eine Baustelle auf der 580, der Stau reichte bis …«
»Wieso auf der 580? Die 680 wäre viel kürzer gewesen, das habe ich dir doch gesagt.«
Sie fand es witzig, dass er automatisch davon ausging, sie würde jeden seiner Ratschläge befolgen. Als ob sie sich durch die Frage seinen Schlussfolgerungen unterwerfen würde. In letzter Zeit fand sie diese Angewohnheit eher lästig als charmant.
»Rachel ist mit mir gefahren. Ich habe sie am Bahnhof in …«
»Wie war’s denn?« Er half ihr aus der Jacke und legte diese über die Sofalehne.
»Ich fand es ein bisschen traurig. Damit hatte ich gar nicht gerechnet.«
Ginger stellte ihre Handtasche in den Wandschrank. Auf dem Couchtisch stand eine Champagnerflasche in einem Kühler.
»Ich glaube, Lucy Hargreaves war nicht nur Jessies Anwältin. Es war offensichtlich, dass sein Tod sie ziemlich mitgenommen hat. Ich wüsste gern …«
»Das wollte ich nicht wissen«, warf Marc ein. Er machte eine Pause und fuhr dann fort, als sie schwieg. »Das Testament, Ginger.« Sie sagte immer noch nichts. »Was stand im Testament?«
Merkwürdigerweise störte sie diese Frage.
»Ich dachte, das interessiert dich nicht. Zumindest hast du das gesagt, als ich dich gebeten habe, mich zu begleiten.« Sie hatte allerdings nur gefragt, weil sie dachte, das würde er erwarten, und war froh gewesen, dass er nicht konnte.
»Stimmt. Und da du zu glauben scheinst, dass es mich nichts angeht, können wir es auch dabei bewenden lassen.«
Volltreffer! Mit einem
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