Ein Haus für vier Schwestern
doch gesagt, dass ich mich mit Freundinnen treffe.« Sie hatte außer Sam noch niemandem von ihrem Vater und ihren Schwestern erzählt.
Manchmal fragte sie sich, ob es richtig war, die Kinder von so einer wichtigen Sache auszuschließen, und ob sie ihnen das später übel nehmen würden. Aber sie war noch nicht bereit, die vielen Fragen zu beantworten, die unweigerlich einer solchen Eröffnung folgen würden. Hauptsächlich, weil ihr selbst so vieles noch nicht klar war.
»Die können warten. Das ist so wichtig für mich, Mom. Du musst einfach mit Dad sprechen. Wenn ich ihn um Geld bitte, wird er mich arbeiten schicken. Aber das ist mein letzter freier Sommer.«
»Und was ist mit der Uni?«
»Ach Mann, musst du immer alles so wörtlich nehmen?«
»Ich habe ein bisschen Geld.« Obwohl sie wusste, dass das ein Fehler war, wählte sie den einfachen Ausweg. Und es war ein Riesenfehler – wie ein Stück Sahnetorte während einer Diät. Der kurze Zuckerschock konnte einen nie für die Qual entschädigen, die es bedeutete, diese Kalorien wieder abzuarbeiten. »Nicht so viel, wie du haben willst, aber mehr gibt es nicht. Du darfst allerdings deinem Vater nichts davon sagen.«
Das musste sie schon selbst machen.
»Du bist die liebste Mutter der Welt!«
»Ja ja, das habe ich schon tausendmal gehört.« Sie glaubte aber, dass es stimmte, und wollte es häufiger hören – allerdings unter anderen Umständen.
»Wirklich. Ich wusste, dass du mir helfen würdest.«
»Woher?«
Stephanie lachte. »Du hilfst mir immer.«
»Das muss aber jetzt reichen. Ich kann nicht …«
»Ich muss Schluss machen, Sharon wartet. Tschüs.« Sie legte auf, bevor Elizabeth etwas erwidern konnte.
Sie kämpfte mit ihren widerstreitenden Gefühlen. War es denn so schlimm, für eine Selbstverständlichkeit gehalten zu werden? Waren Eltern nicht dazu da, sich um ihre Kinder zu kümmern? Hatten die Kinder nicht ein Anrecht auf jedwede gefühlsmäßige und finanzielle Unterstützung, die ihnen ihre Eltern bieten konnten?
Doch diese Argumentation verfing nicht. Elizabeth würde Stephanie das Geld schicken, das sie gespart hatte. Sie wollte davon eigentlich ein Überraschungsgeschenk für Sam kaufen, das auf dem gemeinsamen Konto keine Spuren hinterließ. Also würde sie nur die Hälfte ihres Ersparten opfern – das war nicht annähernd so viel, wie Stephanie erhofft hatte. Wenn das nicht genug war, sollte das Kind arbeiten gehen oder seinen Vater fragen. Basta.
Elizabeth hatte reichlich Zeit eingeplant, um zu Jessies Haus zu kommen, falls sie es nicht gleich finden würde. Jetzt war sie eine halbe Stunde zu früh dran. Es standen keine Autos in der Auffahrt, noch nicht einmal Lucys. Von der hätte sie gedacht, dass sie vielleicht früher kommen würde. Sie konnte jetzt entweder herumfahren, sich ein Café suchen und einen Koffeinschock bekommen. Oder sie konnte ins Haus gehen und sich umsehen. Wenn das möglich wäre, ohne dabei ertappt zu werden.
Sie entschloss sich, hineinzugehen.
Christina öffnete ihr die Tür. Sie trug Flipflops, abgeschnittene Jeans und ein ärmelloses T-Shirt. Auf ihrer Schulter hatte sie eine Eidechse eintätowiert – ein Haustier, das auf ihrer Haut wohnte.
»Ach, Elizabeth. Schön, dich wiederzusehen.« Sie öffnete die Tür weit, damit Elizabeth eintreten konnte. »Du bist früh dran, oder?«
»Was machst du denn schon hier?«
»Wie bitte? Wie wäre es mit einer Begrüßung?«
Elizabeth trat auf den Marmorboden der Eingangshalle. »Entschuldige bitte. Ich war nur so überrascht, dass du die Tür aufgemacht hat. Draußen stand kein Auto.«
»Das steht in der Garage. Also, ich meine das Auto, das ich gerade benutze. Ich wohne im Augenblick hier.« Elizabeths verdutzter Gesichtsausdruck verlangte nach einer sofortigen Reaktion. »Daddy mochte mich immer am liebsten, weißt du?«, fügte sie mit einem schüchternen Lächeln hinzu.
Elizabeth zwinkerte erst überrascht und lachte dann über diese fadenscheinige Begründung. »Ich sollte wahrscheinlich eifersüchtig sein.«
»O ja, bitte.« Christina strahlte sie an. »Ich habe das krankhaften Bedürfnis, mich überlegen zu fühlen. Ich kann ohne die Eifersucht anderer Menschen nicht leben.«
Sie deutete auf ein Zimmer, das von der Diele abging.
»Du kannst da drin warten«, fügte sie fröhlich hinzu. »Ich muss noch was in der Küche erledigen.«
Elizabeth warf einen Blick ins Wohnzimmer und entschied sich dann, Christina zu folgen. Das Zimmer sah aus, als
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