Ein Haus geteilt durch 8
stellen.«
»Na los, Hertamädchen, mach schon«, sagte er nicht allzu verstimmt, »mir knurrt der Magen schon seit Stunden.«
Unten machte Milchhändler Brieskorn den Laden dicht. Es war sein Skatabend, auf den er sich die ganze Woche über freute. Jeden Donnerstag traf er sich mit Kaufmann Baldauf und Schneidermeister Kluffke in der >Lötlampe<, wo sie um den zehntel Pfennig spielten. Einen scharfen Skat mit Contra, Re, Hirsch, Hund, Kaiser und Oberpostsekretär und obligatem Contra und Re bei jedem Karospiel, das nicht über achtzehn gereizt wurde. Sogar Patrouillen durften ausgelegt werden, obgleich Schneidermeister Kluffke dagegen stets protestierte, denn er behauptete, durch solche Finessen würde der Skat zum Glücksspiel degradiert. Aber er kam mit seinem Protest nicht durch und söhnte sich mit den Patrouillen aus, wenn er gewann. Um Punkt elf wurde die letzte Runde angesagt, man trank noch seinen Schoppen aus und ging heim, denn für Herrn Brieskorn begann der Tag bekanntlich um halb fünf.
Frau Knopka, seine Schwägerin, schrieb derweil Lieferungsaufträge aus, trug die Kundenbüchlein nach, forderte von der Sparkasse Rabattmarken an, schrieb die Anweisungen für das Finanzamt, holte die Buchführung nach und schrieb neue Preisetiketts aus. Es war nur ein kleiner Laden, aber man mußte doch eine unheimliche Menge Schreibkram erledigen, und das Schreiben war Brieskorns Sache nicht. Schon aus diesem Grunde wäre es für ihn wichtig gewesen, sich eine so tüchtige Kraft wie Frau Kopka zu sichern.
Sie arbeitete an Brieskorns altmodischem Sekretär aus geflammter finnischer Birke, der zahllose Schubladen hatte. Auf der Schreibplatte stand links die grün abgeschirmte Lampe und rechts die dampfende Tasse Tee, in dessen Aroma sich der Zimtduft eines kräftigen Schusses Jamaika-Rum mischte. Nicht etwa, daß Frau Knopka heimlich süffelte, aber was hatte man als Witwe sonst schon vom Leben? Tagsüber hatte man zu tun, da verging die Zeit wie im Fluge, aber nachts kamen die Gedanken und die Angst vor dem Alter und vor der Einsamkeit, und ob man sich von rechts nach links und von links nach rechts wälzte, der Schlaf wollte nicht kommen. Da nahm man denn einen kräftigen Schluck Rum doch noch lieber als die Tabletten, von denen man auf die Dauer nur nervös und unlustig wurde.
Nach dem Terminkalender für die Entrichtung der Umsatzsteuer suchend, den Brieskorn wieder einmal Gott wohin verlegt hatte, zog sie Schubfach um Schubfach auf und stellte mit einem kleinen Schrecken fest, daß eine der Schubladen, die erste rechts oben, die Brieskorn stets verschlossen hielt, da er darin sein Bankbuch und seine persönlichen Papiere verwahrte, von ihm abzusperren vergessen worden war. Was ging sie es an, wieviel er auf der Bank liegen hatte? Daß er nicht arm war, wußte sie ohnehin; denn wenn es auch nur ein Pfenniggeschäft war, aber Pfennig kam zu Pfennig, und es heckte sich ganz schön was zusammen, nicht so viel natürlich, daß man davon richtig reich werden konnte. Immerhin besaß Brieskorn neben dem Geschäft ein Haus in der Stadt, mit zwei Läden, die einen sehr ansehnlichen Mietzins abwarfen, und vor der Stadt hatte er in letzter Zeit ein größeres Grundstück gekauft, dessen Wert sich mit dem Wachsen der Stadt von Jahr zu Jahr steigerte. Wenn Frau Knopka sich wünschte, daß ihre Beziehungen zu Brieskorn etwas wärmer würden und schließlich aufs Standesamt führen sollten, so dachte sie zunächst nicht daran, dabei eine gute Partie zu machen. Der Mann Brieskorn lockte sie - und das mußte man ihm lassen, daß er trotz Glatze und Bauch immer noch eine stattliche Erscheinung war, ein Mann, an dessen Seite man sich sehen lassen konnte, wenn er sonntags im dunkeln Anzug und im hellgrauen Mantel mit Hut und Handschuhen zur Kirche ging. Da drehte sich noch manche Frau nach ihm um...
Wahrhaftig, hatte er doch den Terminkalender in sein Schubfach gelegt! Aber was unter dem Kalender lag, waren weder Bankbücher noch Kontoauszüge, sondern ein Bündel Briefe, mindestens zwanzig an der Zahl, wenn nicht noch mehr, und durch ein Gummibändchen zusammengehalten. Sehr merkwürdig, diese Briefe... denn sie hatten keine Marken, sondern es waren Offerten, im frankierten Umschlag an eine Zeitung - den Generalanzeiger - gesandt, und dort im Fach des Inserenten gesammelt.
H T 67 8 49 - Das war die Kennziffer, die sich auf allen Umschlägen befand. Was konnte Brieskorn inseriert haben? Hatte er sich etwa nach einer Hilfe fürs
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