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Ein Haus geteilt durch 8

Ein Haus geteilt durch 8

Titel: Ein Haus geteilt durch 8 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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Koffer zu packen. Mit zweien war sie vor sechs Jahren gekommen. Drei Koffer und vier große Pappschachteln standen in ihrem Zimmer, als sie das Haus um fünf Uhr morgens verließ. Einen Zettel mit der Mitteilung, die Sachen würden im Laufe des Tages abgeholt, hinterließ sie auf dem Küchentisch. Und Herr Brieskorn erzählte den Kunden, die sich nach Frau Knopka erkundigten, sie habe plötzlich verreisen müssen, da eine Nichte von ihr schwer erkrankt sei und der Pflege bedürfe, eine Nichte in Darmstadt, die drei unmündige Kinder zu versorgen habe.
    Lindbergs wußten es besser. Sie waren gegen zwölf von einer Theatervorstellung heimgekommen und hatten den Krach bei Brieskorns bis auf den Hausflur hinaus gehört, zwar nicht so genau, daß sie jedes Wort verstanden hätten, aber doch genug, um an die Geschichte von der erkrankten Nichte mit den drei Kindern nicht einen Augenblick zu glauben. Herr Brieskorn fand rasch eine Aushilfe, diesmal die Witwe eines Maurers, Frau Bindrum, deren Mann vor Jahren vom Gerüst gefallen war und sich dabei das Genick gebrochen hatte. Frau Bindrum war mager, wie es sich für ein Milchgeschäft eigentlich nicht gehört, wo man nur rosige und füllige Gesichter als lebendigen Beweis für solch eine gesunde Nahrung zu sehen wünscht, aber da sie die üble Angewohnheit hatte, die Schüssel, in der sie den Rahm schlug, mit dem gekrümmten Zeigefinger zu säubern und diesen abzulecken, nahm sie rasch an Gewicht zu und verlor auch die knittrige Haut und die fahlgelbe Gesichtsfarbe der Armut und Unterernährung.
    Inzwischen aber hing Milchhändler Brieskorns Aufgebot im Schaukasten des Standesamts. Seine Erwählte war nicht etwa die Herbstzeitlose, sondern wahrhaftig die Dreiundzwanzigjährige, die sich nach der Liebe eines älteren Mannes in sicheren Verhältnissen sehnte. Sie hieß Ellinor Beinhaupt und war Verkäuferin in einer Metzgerei.
    In der Wohnung der verstorbenen Witwe Düsenengel werkte drei Tage lang der Maler. Eigentlich war er gar kein Maler, sondern der Herr Theo Blech, Großhändler Siebenlists Faktotum und Mädchen für alles. In der Villa von Herrn Siebenlist besorgte Theo Blech, dessen Schädel kahl wie eine Billardkugel war, die Dampfheizung, sprengte und schor den Rasen, brachte das Privatauto auf Hochglanz und wusch die Lieferwägen der Firma, arbeitete im Lager, füllte den Wermutwein, den Großhändler Siebenlist gleich tankweise bezog, auf pompös etikettierte Flaschen, besorgte auch die Panscherei, kassierte in der Mozartstraße 36 am Ultimo die Miete nebst Wassergeld und Kaminkehrergebühren und besorgte hier auch den Vorgarten des Hauses. Er säte neuen Grassamen an, wenn der Rasen infolge des völligen Mangels an Nährboden einging, und ersetzte in den lieblos angelegten Rabatten verdorrte Rosenstöcke durch neue. Im Sommer sahen diese Vorgärten rechts und links von der Haustür so traurig aus, daß Dr. Lindberg bei ihrem Anblick stets ah Armengräber erinnert wurde.
    Theo Blech also erneuerte auch den Anstrich der Mansardenwohnung, und er machte es mit Geschick, als ob er Tag für Tag nichts anderes täte als Decken zu weißen und an den Wänden mit einer durch Ruß gezogenen Schnur die Bortenhöhe anzuschnellen. Der Peter von Holldorfs half ihm dabei und nahm es freudig in Kauf, von seiner Mutter eine Schelle zu fangen, wenn er total mit Farbe bespritzt heimkam. Die Anni hatte alle Hände voll zu tun, um ihren Flocki zu knutschen, die feuchte Holzwolle seines Lagers durch trockene zu ersetzen, ihn warm zu halten und ihm die Flasche zu geben. Er war noch immer blind und hilflos, aber er schien widerstandsfähig zu sein und das Gesäuge und die Wärme nicht zu entbehren.
    »Du, Mutti, ich glaube wirklich, daß mein Flocki in den paar Tagen schon gewachsen ist.«
    Frau Holldorf blickte von ihrer Näharbeit auf und ließ die Maschine für einen Augenblick stillstehen.
    »Es kommt mir wahrhaftig auch so vor«, murmelte sie, »aber ich glaube, solch kleine Tiere wachsen in den ersten Wochen am schnellsten.«
    Aus irgendeinem Grunde war man im Hause der Meinung, Herr Blech richte die Mansarde für sich selber her. Vor Jahren hatte nämlich Großhändler Siebenlist einmal geäußert, er wolle einen Hausmeister in die Wohnung setzen, dessen Frau die Reinigung des Treppenhauses und die Pflege des Vorgartens besorgen werde. Den Damen konnte das nur recht sein, denn bis dahin hatten sie diese lästigen Verpflichtungen selber besorgen müssen oder durch ihre Zugehfrauen

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