Ein Haus geteilt durch 8
schüttelte den Kopf, als könne sie es noch immer nicht glauben, daß so etwas vom Standesamt überhaupt die Heiratserlaubnis bekam. »Und ihre Möbel! Lieber Gott im Himmel! Ich habe ja nur einen Blick durch die offene Tür in ihr Wohnzimmer riskiert und ein paarmal ein wenig hinausgespitzt, als sie mit den >Grünen Radlern< einzogen.«
»Was? Mit den >Grü...<«
»Wahr und wahrhaftig, wie ich es dir sage! Aber ich glaube, ein richtiger Spediteur hätte den Speicherkram auch gar nicht befördert. Fritz, glaub’s mir, dagegen leben wir wie die Grafen!«
»Gib nur nicht an, Herta! Als wir anfingen, da ging es bei uns auch verdammt eng zu. Denk bloß an die Matratzen, die wir damals gehabt haben, wo du jeden Morgen ein Kilo Dreck unterm Bett vorgekehrt hast.«
»Das war ja schließlich auch vor der Währungsreform, wo es nichts zu kaufen gab. Aber heutzutage!«
»Denkst du, kann jeder, wie? Denkst du, mein Herzchen! Manche können eben nicht!«
»Na ja. Aber es scheinen sonst sehr nette Menschen zu sein.«
In diesem Augenblick ertönte die Glocke.
»Wer kann das sein, Herta? Um diese Zeit?«
»Die neuen Mieter vielleicht. Ich habe ihm gesagt, du würdest ihm eine von deinen Sägen ausleihen.«
»Bist du wahnsinnig, Mädchen? Von meinen Sägen? Damit der Kerl womöglich auf ‘n Nagel kommt und mir die Schränkung hinmacht! Hör bloß auf, fremden Leuten mein Handwerkszeug anzubieten!«
»Gib ihm halt die älteste und schlechteste.«
»Das brauchst du mir nicht erst zu sagen!« knurrte er.
Es waren die neuen Mieter. Sie wollten sich gerade zurückziehen, da sie glaubten, Holldorfs wären schon zu Bett gegangen.
»Nein, nein, so früh legen wir uns denn doch nicht hin, auch wenn mein Mann schon um halb sechs raus muß. Bis zehn hören wir immer Radio und lesen in der Zeitung. Er in der Politik und ich in einem Roman, am liebsten solche, wo was von Liebe vorkommt.« Und Frau Holldorf ging voran und nötigte die beiden jungen Leute in die Küche.
»Also das sind unsere neuen Nachbarn, Fritz. Herr und Frau Fröhlich.«
»Wir wollen nicht lange stören, Frau Holldorf«, sagte Sabine, nachdem Holldorf ihnen die Hände geschüttelt hatte, »eigentlich sind wir nur wegen einer Frage gekommen.«
»So, wegen einer Frage«, murmelte Herr Holldorf, »und ich dachte, wegen einer Säge.«
»Nun laß doch die junge Frau einmal reden, Fritz! Was wollten Sie denn wissen?«
»Ob man sich im Hause den anderen Bewohnern vorstellen muß.«
»Hm, das is ‘n Ding mit Haaren!« stellte Herr Holldorf fest und rieb sich die Nase. »Als wir hier vor sechs Jahren in das neugebaute Haus eingezogen sind, da haben sie es gemacht - aber nur bis zum zweiten Stockwerk. Zu uns und zur Witwe Düsenengel, die bis zu ihrem Tod in Ihrer Wohnung gewohnt hat, ist niemand raufgekommen - bis auf den Redakteur Dr. Lindberg und seine Frau. Die andern hat man so im Treppenhaus kennengelernt, wie es die Gelegenheit ergab.«
»Nun, Sabinchen«, meinte der junge Mann, »ich glaube, dann können wir diesen Punkt vom Programm streichen und lassen es ebenfalls auf die Gelegenheit ankommen.«
Eine kleine Gesprächspause entstand und Frau Holldorf überlegte sich gerade, ob sie den jungen Leuten einen Stuhl anbieten solle, aber da sagten sie auch schon, sie wollten nicht länger stören, und außerdem gäbe es für sie drüben in ihrer Wohnung auch noch einiges zu tun.
»Und dann wollten Sie wohl die Säge haben, wie?«
»Ja, wenn Sie so nett sein würden. Ich möchte nämlich an einem Tisch die Beine ein wenig verkürzen.«
Herr Holldorf ging an seinen Werkzeugschrank, um die älteste von seinen Sägen auszusuchen.
»Da haben Sie aber Glück gehabt, Frau Fröhlich, daß Sie die nette kleine Wohnung von der Frau Düsenengel bekommen haben«, meinte Frau Holldorf in dem Bestreben, die Unterhaltung nicht einschlafen zu lassen.
»So, meinen Sie?«
»Na, hören Sie einmal! Heutzutage eine kleine Wohnung zu bekommen, in so guter Lage und verhältnismäßig preiswert. Wenn das kein Glück ist!«
»Es ging eigentlich ganz einfach«, mischte sich der junge Mann ein, »ich las zufällig die Todesanzeige in der Zeitung und läutete Herrn Siebenlist an.«
»Und bekamen auch schon die Wohnung?«
»Ja«, nickte Herr Fröhlich, als wüßte er nicht, was daran erstaunlich sei.
»Da haben Sie aber Massel gehabt, junger Mann«, ließ sich Herr Holldorf vernehmen, »und da haben Sie einen Fuchsschwanz. Das Blatt vorher leicht mit einer Speckschwarte
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