Ein Haus geteilt durch 8
nicht einfiel, etwa zu fragen, ob der Herr für sein Fräulein Tochter nicht lieber ein eigenes Zimmer nehmen wolle. Ein Page riß Herrn Brieskorn den kleinen Koffer diensteifrig aus der Hand.
»Die Herrschaften sind auf der Durchreise?«
»Nach Malcesine«, zwitscherte die junge Frau, aber da sie das Wort wie Malzesihne in der Betonung wie Apfelsine aussprach, nickte der Portier nur höflich mit dem Kopf. »Unser großes Gepäck haben wir auf der Bahn gelassen.«
Frau Brieskorn hängte sich in den Arm ihres Gatten ein, der dem Pagen zum Lift folgte: »Oder meinst du nicht doch, Schnucki, daß ich mir wenigstens den Koffer mit meinen Kleidern holen lassen soll?«
»Wie du willst, Mäuschen.«
»Denn wenn du mich vielleicht ausführen willst, Schnucki.«
»Ausführen?« fragte er ein wenig enttäuscht, aber er war auch bereit, sie auszuführen, wenn sie es durchaus wünschte. »Ich dachte, mein Täubchen, wir essen hier gut, und dann...«
»Ganz wie du willst, Schnuckelchen«, flüsterte sie ihm ins Ohr.
Was war sie froh, keinen Metzger geheiratet zu haben, obwohl sie mit dem ersten Gesellen von der Metzgerei Haslinger drei Jahre lang gegangen war! Auch wenn er sich am Sonntag fein machte, war immer unter einem Fingernagel noch eine Spur von geronnenem Blut, und wenn ihr verflossener Sebastian auch ein fescher Bursch gewesen war mit Armen wie aus Eisen und sich soviel erspart hatte, um sich demnächst selbständig zu machen - das blutige Handwerk färbte irgendwie doch auf den Charakter ab. Und wann hätte er ihr das Leben bieten können, das Brieskorn ihr bot? Ein feiner Mann! Und sanft und zart wie die Milch, die er verkaufte. Nun ja, seine achtundfünfzig Jahre. Aber selbst, wenn er noch zwanzig weitere machte, war sie erst dreiundvierzig und konnte als Geschäftsinhaberin und Hausbesitzerin - denn Brieskorn hatte sie über seine Vermögensverhältnisse und seinen Besitz genau unterrichtet - immer noch einmal heiraten oder sich etwas fürs Herz aussuchen.
Sie blieben acht Tage in Malcesine, ein wenig enttäuscht, denn sie hatten sich den italienischen Himmel noch blauer, die Zypressen noch malerischer und ernster, den Gardasee viel wärmer, die Berge höher und die Dampferfahrt nach Gardone und Riva viel lustiger vorgestellt. Lieber Gott, das waren also die berühmten Orangen- und Zitronengärten! Na, viel anders als die Apfelspaliere daheim sahen sie auch nicht aus. Und wo waren eigentlich die Italiener, die einem vom Fenster des Palazzo unter Gitarrenbegleitung dunkelrote Rosen zuwarfen? Sie wollten einem Andenken verkaufen und verlangten für den Schund Preise, daß einem die Augen übergingen. Und ihre Pasta asciuta, jeden Tag und jeden Tag, kam einem allmählich wahrhaftig zum Halse heraus.
»Weißt du, Schnuckelchen, es ist ja wirklich hübsch hier...der See und die Berge und so, und nichts gegen die Schelatti, die sie hier haben, aber ehrlich, für einen röschen Schweinsbraten mit halbseidenen Klößen und Gurkensalat würde ich das ganze Italien stehen und liegen lassen.«
»Wirklich, Mäuschen? Ich habe es mir nicht zu sagen getraut. Aber wenn ich an eine abgebräunte Kalbshaxe denke und an ein Helles vom Faß, und an die Bratwürste auf Kraut in der >Lötlampe<, dann läuft mir das Wasser im Mund zusammen.«
»Weißt du was, Dickerchen? Wir packen unsere sieben Zwetschgen zusammen und fahren heim. Vielleicht noch für zwei oder drei Tage nach München, hm?«
Eine Woche später waren Brieskorns wieder daheim und im Geschäft. Witwe Bindrum begrüßte die junge Frau beim Einstand, wie es sich gehört, mit Brot und Salz auf einem Holzbrettchen, was Frau Brieskorn reichlich komisch fand, da sie durchaus nicht die Absicht hatte, in Zukunft so trocken zu leben. Aber sie nahm die Gabe gnädig an, und Brieskorn, der mit Frau Bindrum am Abend die Kasse abrechnete, war mit der Tätigkeit und dem Erfolg seiner Vertreterin zufrieden. Der Laden lief von allein. Weshalb sollte man sich nicht auch in Zukunft ab und zu einmal solch einen kleinen Urlaub gönnen? Was hatte man schon bisher von seinem Leben gehabt? Plackerei von früh bis spät, und nichts weiter. Und da mußte man erst ein alter Esel werden, um zu begreifen, daß das Leben so viele erfreuliche Dinge zu bieten hatte. Es war natürlich nicht ganz billig. Aber, zum Teufel, für wen sparte man eigentlich? Oder sparte man vielleicht doch für jemand? Wer konnte es wissen, was noch alles kam? Er wölbte die Brust und zupfte an dem kleinen, seit
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