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Ein Haus geteilt durch 8

Ein Haus geteilt durch 8

Titel: Ein Haus geteilt durch 8 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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einen Lehrling im Gebrauch des Zirkels unterwies.
    Sie fanden den Bau, und sie fanden auch den Saal, in dem etwa fünfzig Väter mit ihren Söhnen bereits versammelt waren und wo der mit der Ausbildung der Lehrlinge betraute Ingenieur sie empfing. Schließlich kamen auch sie an die Reihe.
    »Oberregierungsrat Pünder.«
    »Angenehm, Konopatzki.« Herr Konopatzki verbeugte sich und bat Herrn Pünder um das Entlassungszeugnis der Schule.
    »Ja, wissen Sie, Herr Oberregierungsrat«, sagte er, nachdem er Thomas’ Papiere flüchtig durchblättert hatte, »offen gestanden, ein guter Volksschüler ist uns lieber als ein verkrachter Tertianer.« Und es sah nach diesen Worten ganz so aus, als hätten Herr Pünder und sein Sohn Thomas die lange Reise umsonst gemacht. Und sie hätten sie ganz gewiß umsonst gemacht, wenn Thomas seinen Vater, der plötzlich einen roten Kopf bekam, zu Wort hätte kommen lassen; aber er trat seinem Erzeuger so nachdrücklich auf den Fuß, daß dieser einen Laut des Schmerzes nur mit Mühe unterdrücken konnte, und wandte sich selber an den Ingenieur Konopatzki.
    »Ich gebe es zu, Herr Ingenieur, in Latein und Griechisch, da war ich eine große Niete, aber immer prima in Mathematik! Und der Beste von der ganzen Klasse in Handfertigkeit und Turnen. Und wenn Sie mich wenigstens zur Prüfung zulassen würden -ich würde Ihnen bestimmt beweisen, daß ich was kann. Wo ich mir doch immer gewünscht habe, Mechaniker zu werden. Bitte versuchen Sie es mit mir.«
    »So?« grinste Herr Konopatzki. »Na, dann wollen wir es einmal auf den Versuch ankommen lassen, junger Mann.«
    Und er wandte sich an Herrn Pünder mit der Bitte, seinen Sohn heute abend um sechs abzuholen und morgen früh um neun wieder herzubringen.
    Herr Pünder verbrachte einen unruhigen Tag und eine noch unruhigere Nacht. Thomas war, als er ihn am Abend abholte, abgekämpft und einsilbig gewesen und hatte auf seine Fragen nur geantwortet, es wären raffinierte und knifflige Aufgaben gewesen, die er hätte lösen müssen. Da hätte es Figuren aus Draht gegeben, die man in einer bestimmten Zeit nachformen mußte, und Bretter mit Löchern, wo es darum gegangen sei, aus einem Haufen Stahlkugeln nach Augenmaß genau die auszusuchen, die in ein bestimmtes Loch gepaßt hätte. Und morgen wären Rechenaufgaben an der Reihe und handwerkliches Zeichnen.
    Heiliger Bimbam, das war ja schlimmer als sein Referendar-Examen. Als Thomas schlief, ging er noch einmal ins Hotel hinunter und kippte an der Bar vier große Cognacs. Und obwohl die Prüfung am nächsten Tag nur noch bis Mittag dauerte, dehnten sich die Stunden unerträglich in die Länge. Endlich war es soweit, daß die Buben sich aus dem Unterrichtssaal drängten. Sein Thomas war ziemlich unter den letzten. Also wieder einmal durchgefallen.
    »Na, komm schon, Tom«, sagte er fast erlöst, daß diese Nervenfolter zu Ende war.
    »Unter den sechs Besten, Paps«, sagte der Bengel ganz ruhig, als hätte er überhaupt nichts anderes erwartet.
    »Nun, Nicki, wie war’s?« fragte Frau Pünder ängstlich, als er daheim seinen Hut auf die Garderobe warf.
    »Was soll schon gewesen sein, Elisabeth? Wirklich unglaublich, was man von den Jungen heutzutage verlangt. So Figuren aus Draht.« Er wuzelte mit den Fingern in der Luft ein seltsames Gebilde zusammen. »Aber natürlich hat Tom es geschafft. Als Zweitbester von mindestens hundert Jungens. Jawohl. Verstehe nicht, worüber du dich dabei eigentlich wunderst. Du stammst natürlich aus ‘ner reinen Beamtenfamilie. Aber wir kommen vom Handwerk her. Großvater war ehrsamer Schuhmacher. Innungsmeister sogar. So was vererbt sich eben weiter.«
    »Na, ich weiß ja nicht, Nicki. Wenn du mal einen Nagel in die Wand schlagen mußt, dann haust du dir regelmäßig auf den Daumen. Wahrscheinlich überspringen solche Erbanlagen manchmal ein paar Generationen.«

    Sechs Wochen waren es nun, daß Werner Fröhlich als Untervertreter von Herrn Henrici mit der Kolonne Paulig das Land abgraste. Sechs Wochen, in denen er am Samstagnachmittag heimkam, um die Tour am Montag früh um sechs wieder zu beginnen. Sabine gegenüber spielte er den Sieger, wenn er nach der stürmischen Umarmung die Brieftasche zückte und ihr einen Fünfzigmarkschein und einen Zwanziger dazu auf den Tisch legte.
    »Der Weizen blüht, Sabinchen! Diese siebzig Emmchen sind ganz allein für dich. Du hast dir doch neulich das flotte Kleid mit den roten Streifen gewünscht. Da ist es.«
    »Aber Wernerchen!

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