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Ein Haus geteilt durch 8

Ein Haus geteilt durch 8

Titel: Ein Haus geteilt durch 8 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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München schwarz gefärbten Schnurrbart. He, es war ja nicht völlig ausgeschlossen, daß man eines Tages nicht doch noch eine kleine, freudige Überraschung von seiner Frau erfuhr...
    Die junge Frau Brieskorn überließ es ihrem Schnuckelchen und der Witwe Bindrum, morgens aufzustehen und die schweren Kannen in die zinkenen Kühlbottiche zu entleeren. Sie sorgte dafür, daß ihr Brieskorn um acht ein ordentliches Frühstück bekam - die Wurst dazu bezog sie aus alter Anhänglichkeit von der Metzgerei Haslinger -, und dann erschien auch sie für zwei oder drei Stunden im Geschäft, rosig und frisch, in einem blütenzarten Arbeitskittel, in dem sie mehr der Sprechstundenhilfe eines Zahnarztes als einer Ladnerin glich; verkaufte hier einen Liter Milch und dort einen Kräuterkäse und erreichte durch ihre bloße Anwesenheit eine Verdoppelung des Umsatzes, wenn gegen elf Uhr die jungen Leute vom nahe gelegenen Polytechnikum herbeiströmten, um bei Brieskorn ihr Frühstück einzukaufen. Das war schon immer so gewesen, daß die Studenten bei Brieskorn ihren halben Liter Milch oder eine Flasche Kakao und ein paar Semmeln oder Butterhörnchen holten, um sie draußen vor dem Laden promenierend zu verzehren. Plötzlich aber flogen zwischen den jungen Leuten und der hübschen jungen Frau Brieskorn muntere Scherzreden hin und her, der Ladenraum verwandelte sich sozusagen in eine Steh-Milch-Kneipe und war eine Viertelstunde lang so überfüllt, daß es anderen Kunden kaum möglich war, bis zur Theke vorzudringen. Brieskorn sah es mit Unbehagen und hörte es mit Unbehagen, wenn die j ungen Burschen sich in Scharen um die Theke drängten, handfeste Komplimente drechselten und sogar die Unverfrorenheit besaßen, obwohl der Ehering an ihrem Finger doch nicht zu übersehen war, Frau Brieskorn ins Kino oder zum Tanz einzuladen. Am liebsten hätte er die ganze Bande vor die Tür gesetzt.
    »Brieskörnchen«, zwitscherte sie bei solch eifersüchtigen Anwandlungen und rieb sich mit der vollen, weichen Schulter wie eine Katze an seiner Brust, »du weißt doch ganz genau, daß solche Bubis für mich einfach Luft sind. Pfffffft! Wenn einer mir gefährlich werden könnte, dann höchstens unser oller Oberst.«
    Ganz recht, Oberst a. D. Aurel von Krappf. Er, der bisher den festen Grundsatz vertreten hatte, ein Mann habe in einem Ladengeschäft nur etwas zu suchen, wenn er sich Zigarren, Handschuhe oder Unterhosen kaufe, erschien plötzlich im Milchladen, um sich fürs Abendessen ein Stück Gorgonzola abschneiden zu lassen, einen Camembert auf seine Reife zu prüfen oder die junge Frau Brieskorn zu fragen, was sie ihm empfehlen könne. Ja, er entwickelte geradezu eine Leidenschaft für Käse, aus dem er sich sonst nie etwas gemacht hatte. Seine Schwester stand diesem Phänomen fassungslos gegenüber.

    In diesen letzten Maitagen nahm Oberregierungsrat Pünder einen zweitägigen Urlaub, um seinen Sohn Thomas ins Rheinland auf ein Internat zu bringen. Lieber Gott, man konnte dem Präsidenten schließlich nicht erzählen, daß man seinen Jungen als Schlosserlehrling unterzubringen versuchte. Ihm genügte für die eine Nacht im Hotel die Aktenmappe mit Schlafanzug, Zahnbürste und Rasierapparat. Der Junge trug sein Köfferchen mit etwas Wäsche, zwei Paar Strümpfen und einem nagelneuen blauen Monteuranzug! Was er später sonst noch brauchte, konnte man ihm ja nachschicken. Zunächst handelte es sich für ihn darum, die Aufnahmeprüfung zu bestehen. Und daß diese gleich zwei Tage in Anspruch nehmen sollte - >eine Lehrlingsprüfung, ich bitte dich, Elisabeth!< -, fand der Oberregierungsrat reichlich übertrieben.
    Er wurde ein wenig kleiner, als er nach ziemlich langer und kostspieliger Taxifahrt vom Hotel zu den DMF vor der Pforte eines Industrieunternehmens ausstieg, dessen Anlagen einige Quadratkilometer einzunehmen schienen. So etwas hatte er eigentlich noch nie gesehen, und er mußte gestehen, daß der Eindruck imponierend war. Er wurde noch kleiner, als ihm und einigen anderen Vätern, die mit ihren Sprößlingen Einlaß begehrten, der Pförtner an Hand eines Lageplanes erklären mußte, wohin er sich zu wenden habe. Zweihundert Meter geradeaus, dann bei dem Verwaltungsgebäude römisch vier rechts herum, bis man auf das Industriegleis kam, von dort hundert Schritte links bis zu dem Gebäude, wo >Lehrwerkstätte< über der Tür stand. Man konnte den Bau nicht verfehlen, weil gegenüber auf dem Rasen eine Bronzeplastik stand, ein Meister, der

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