Ein Haus geteilt durch 8
Wir haben doch so viel anzuschafffen. Wir müssen jetzt zuerst einmal an unser Kaninchen denken. Und das rotgestreifte Kleid könnte ich sowieso nicht mehr tragen.«
»Du hast dich überhaupt nicht verändert, Süße.«
»Doch, doch. Ich habe mich so verändert, daß mich vorgestern Herr Zettel fragte, wann es denn soweit wäre.«
»Tatsächlich? Dann muß dein Chef Röntgenaugen haben.«
»Das nicht gerade, aber wahrscheinlich fällt es ihm auf, daß mir manchmal ganz plötzlich schwindlig wird.«
»Um Himmels willen, Bienchen, da mußt du aber sehr auf dich aufpassen. Wenn dir das einmal mitten auf der Straße passiert.«
»Es passiert nie auf der Straße, sondern immer nur im Büro.«
Sie setzte den Kessel mit Wasser auf und stellte die kleine Zinkwanne neben den Ausguß, in der er sich von Kopf bis Fuß abseifte.
»Hör einmal, Werner, du wirst aber von Woche zu Woche magerer«, stellte sie fest.
»Unsinn, Sabinchen, wie kommst du darauf?«
»Weil ich es sehe.«
Er ließ die Brust einsinken, damit die Rippen nicht gar so deutlich hervortraten. »Unmöglich. Ich habe meine hundertfünfzig Pfund nach wie vor. Ich habe mich erst neulich gewogen.«
»Ißt du unterwegs auch ordentlich?«
»Portionsmäßig schon«, sagte er, als könne er seine Gewichtsabnahme, wenn sie durchaus darauf bestand, damit erklären, »aber wie das nun einmal in Dorfgasthäusern ist, viel Abwechslung hat man natürlich nicht. Sechsmal in der Woche Rippchen mit Sauerkraut werden auch dem stärksten Mann zuviel.«
»Ach du lieber Gott! Und ausgerechnet Rippchen mit Sauerkraut habe ich für morgen gekauft.«
»Wunderbar. Bei dir schmecken sie natürlich ganz anders.« Und das Merkwürdige war, daß er sich am Sonntag in die Rippchen mit Sauerkraut hineinlegte, als hätte er sich seit Wochen nichts anderes gewünscht.
»Und sonst, Werner? Erzähle. Ich freue mich doch die ganze Woche über auf diesen Samstagabend und auf Sonntag. Oder bist du zu müde? Du siehst wirklich ganz spitz und abgespannt aus.«
»Was du nur hast. Zuerst war ich dir zu mager, und jetzt bin ich spitz und abgespannt. Hör einmal, Sabinchen, du willst damit doch nicht etwa sagen, daß mein Typ dir nicht mehr gefällt, wie?«
»Ach, du Dummkopf.«
»Ja, Süße, was soll ich dir viel erzählen? Du siehst es doch, es ist ein Job, der was einbringt. Und dabei bin ich doch erst ein blutiger Anfänger. Warte nur einmal ab, bis sich die Sache richtig eingespielt hat und bis ich richtig drin bin. Oder bis ich vielleicht einmal einen anderen Artikel übernehme. Ich will damit nichts gegen die Rasierapparate sagen, sie sind wirklich ein Verkaufsschlager. Aber du hast recht gehabt, man trifft daheim zumeist nur Frauen an, und die sind natürlich an Rasierapparaten nicht sehr interessiert. Und am Abend sitzt man dann in irgendeiner Dorfkneipe oder, wenn es eine Stadt ist, in einem Hotel, quatscht noch ein bißchen miteinander, trinkt ein Glas Bier oder auch zwei und legt sich schließlich in die Falle.«
»Hm. Und deine Kollegen?«
»Ach, soweit ganz nette Burschen. Ein Mediziner ist übrigens auch dabei, älteres Semester.«
»Das freut mich, dann hast du wenigstens nette Gesellschaft.«
»Ja - das kann man wohl sagen.«
»Aber du kommst mir doch verändert vor. Du warst früher lustiger... und unbekümmerter.«
»Aber Bienchen, wie kann ich lustig und unbekümmert sein, wenn ich dich die ganze Woche nicht sehe und mir vorstelle, was dir und unserem Kaninchen alles zustoßen kann. Jetzt trockne mir mal schön den Rücken ab, und dann bin ich lustig und unbekümmert, wie du mich wünscht, und dann machen wir uns fein und gehen essen, ja?«
Er war fast ein wenig stolz auf sich, daß es ihm gelang, ihr solch ein gutes Theater vorzuspielen. Wahrhaftig, er hatte sich keine Illusionen darüber gemacht, was ihn bei dem Unternehmen Henrici erwarte. Stutzig war er geworden, als er an jenem ersten Morgen, an dem ihn Herr Paulig unter seine Fittiche nahm, um ihm den ersten Unterricht im Verkauf des Rasierapparates >Troika< zu geben, bemerkte, daß Paulig sich die Handflächen am Taschentuch trockenreiben mußte, ehe er an der ersten Tür läutete. Paulig war eine Verkaufskanone, daran gab es keinen Zweifel, aber letzten Endes blieb es doch sein persönliches Geheimnis, wie er es fertigbrachte, den unwilligen oder zögernden Kunden seinen Füllfederhalter schließlich doch in die Hand zu zaubern und sie zur Unterschrift zu verführen. Denn etwas anderes als ein
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