Ein Haus geteilt durch 8
doch an, Fritz. Ist es nicht wirklich ein süßes Kerlchen? Und dieses treuherzige dumme Gesichterl. Man könnte ihn in einer Tour abknutschen.«
»Jaja, nur noch den Hund«, murmelte er und blickte aus dem Fortsetzungsroman des Generalanzeigers auf - und legte die Zeitung fort. »Gib ihn doch mal her, Herta.«
Sie reichte ihm den Flocki, und er nahm ihn entgegen wie ein Kind, das man unter den Achseln hält.
»Der ist also heute neun Tage alt.«
»Warum neun Tage? Woher willst du das wissen?«
»Weil Hunde mit neun Tagen sehend werden.«
»Was du nicht alles weißt«, sagte sie respektvoll.
Der kleine Hund winselte und schwamm mit allen vier Pfoten.
»Das ist doch ‘n alter Käse«, sagte er kopfschüttelnd, »ich finde nur, daß dieser Hund für seine neun Tage unglaublich groß ist und schwer auch. Und die Pfoten... Lieber Gott, schau dir doch nur einmal die Pfoten an. Wenn das ein Dalmatiner werden soll, dann bin ich die Dame ohne Unterleib.«
»Aber er ist gefleckt wie ein Dalmatiner.«
»Gefleckt sind andere Hunde auch.«
»Man müßte vielleicht einmal einen Hundekenner fragen«, meinte Frau Holldorf unsicher. Sie mußte zugeben, daß es auch sie ein wenig beängstigte, wie der Flocki in diesen vergangenen neun Tagen gewachsen war. Nicht so sehr der Rumpf, der war rund und mollig geblieben, aber die Läufe hatten sich unglaublich gestreckt, so sehr, daß er kaum noch in das Puppenbett hineinpaßte, und dabei war er am ersten Tag darin verschwunden wie ein Kind im Bett der Mutter.
»Tag für Tag ums Doppelte«, murmelte Herr Holldorf kopfschüttelnd und wandte sich an die Kinder: »Sagt einmal, hat der Kerl, der euch den Hund verkauft hat, nicht gesagt, wo er ihn her hat? Damit man sich dort vielleicht danach erkundigen könnte, wie?«
»Nichts hat er gesagt«, antwortete die Anni, »nur recht dreckig gelacht hat er, das war alles.«
»Hm«, sagte Herr Holldorf und vertiefte sich wieder in die Zeitung, »‘n Pferd ist ein Pferd, und ‘ne Kuh ist ‘ne Kuh, bloß bei einem Hund weiß man nie, wo man dran ist. Na ja, wir werden es ja erleben.«
Pünktlich um neun Uhr verließ Herr von Krappf das Haus, um seinen Waldmann wie jeden Abend eine halbe Stunde spazieren zu führen. Es bedurfte in letzter Zeit strenger Befehle, die er nicht mehr hörte, und lockender Bewegungen, die er nicht mehr recht sah, um den alten Hund die Treppe hinab und wieder herauf zu bringen. Seit Wochen stand der Oberst vor der immer wieder hinausgeschobenen Frage, ob es für seinen alten Freund nicht das beste sei, rasch und schmerzlos in die Ewigen Jagdgründe einzugehen. Es war kein Leben mehr in dem Burschen. Sogar die Leckerbissen, die Frau Lindberg für ihn bereit hielt, wenn sie ihn die Treppe herabtappen hörte, nahm er seit ein paar Tagen nicht mehr an. Früher war er nie an ihrer Tür vorübergelaufen, ohne Laut zu geben oder sich durch Kratzen so lange bemerkbar zu machen, bis sie ihn in die Küche nahm und ihm eine Scheibe Wurst oder einen
Bratenrest vorsetzte. Auch heute wartete sie auf ihn, aber der alte Hund, der sich sonst bei ihrem Anblick die weiß gewordenen Schnurrhaare geleckt hatte, schnupperte nicht einmal an dem Hühnerflügel, den sie für ihn aufbewahrt hatte. Er starrte, ohne ein Zeichen des Erkennens oder der Freude zu geben, aus trüb opalisierenden Augen ins Leere.
»Tut mir leid, gnädige Frau«, sagte der Oberst, als müsse er sich für die Appetitlosigkeit seines Hundes entschuldigen, »Uhr ist abgelaufen. Na ja, kommen alle mal dran.«
An der Ecke unter der Laterne stand Dr. Hallmann mit seinen beiden Airedales Mopka und Molli, zwei Hündinnen, die ihm gelegentlich Kummer bereiteten, wenn sie eine ganze Hundemeute hinter sich herzogen, aber seine Frau behauptete, Hündinnen wären viel anhänglicher als Rüden. Im Augenblick war Molli an der Reihe, ihm Kummer und Peinlichkeiten zu bereiten, und deshalb hielt er sie an der Leine, während Mopka ihrem alten Verehrer Waldmann hell kläffend entgegensprang und ihn kokettierend umkreiste. Sei es nun, daß ein besonderer Duft Waldmanns taub gewordene Geruchsnerven kitzelte, oder daß ein euphorischer Zustand seine Lebensgeister aufstachelte, plötzlich straffte er sich, das trübe Auge bekam neuen Glanz, die rheumatischen Beschwerden in den Läufen waren wie weggeblasen, und erjagte in jugendlichem Elan der Hündin nach, die mit hellem Geläut in der Dunkelheit verschwand.
»Ist ja ‘n tolles Stück«, sagte der Oberst verblüfft zu Dr.
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