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Ein Haus geteilt durch 8

Ein Haus geteilt durch 8

Titel: Ein Haus geteilt durch 8 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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wißt, was ihr den Leuten verkauft und was ihr ihnen zu erzählen habt. Die Tricks verrät euch Herr Paulig gratis und franko.«
    »Und Ihre Bedingungen?« fragte der Kavalier mit dem bunten Halstuch.
    »Einfache Rechnung. Der Apparat kostet bar 38 Mark oder zehn Raten zu vier. Der Verdienst ist so oder so vier Mark pro Apparat. Reisespesen acht Mark pro Tag, die von der Tageskasse abgezogen werden. Ist das klar?«
    »Jawoll, Chef«, murmelte Werner.
    »Los geht’s übermorgen früh sechs Uhr hier vom Hotel, wo zufällig Herr Paulig wohnt. Sonst von meinem Büro. Gefahren wird in zwei Kolonnen. Normal Montag früh los und Samstag nachmittag zurück. Die Landgemeinden und Städte sind unter die Kolonnen genau und gerecht aufgeteilt. Jeder kriegt seinen Plan. Capito?«
    »Capito, Chef«, sagte Werner Fröhlich.
    Herr Henrici musterte ihn für einen Augenblick. Hm, der Flanellanzug schien Schneiderarbeit zu sein.
    »Was sind Sie eigentlich für ‘n Vogel?«
    »Kaufmann ohne Stellung. Langt’s, oder wollen Sie mehr wissen?«
    »Ist mir wurscht, was Sie sind. Die Hauptsache, daß Sie rangehen an die Bouletten.«
    Er drehte sich kurz zu Herrn Paulig um, der noch in unveränderter Haltung dasaß, und empfing von ihm einen Blick, der zu sagen schien, Paulig sei mit der Wahl der Leute einverstanden.
    »Ausweise habt ihr natürlich dabei, Männer?«
    Die zu Männern degradierten Herren nickten. Henrici zog ein paar Papiere aus einer Aktenmappe, die auf dem Bett gelegen hatte, breitete sie auf dem Tisch aus und legte seinen Kugelschreiber neben die Papiere. Die vier traten der Reihe nach heran und unterschrieben eine Verpflichtung, mindestens einen Monat lang für Herrn Henrici zu arbeiten.
    »Alsdann bis übermorgen früh um sechs. Pünktlich und gut rasiert, aber möglichst mit ‘ner Klinge.«
    An diesem Abend führte Werner seine Sabine aus. Zum Essen an die Theke einer Bratwurströsterei, und später in die >Alte Mühle< zum Tanzen. Es war eine Studentenkneipe außerhalb der Stadt, seit einiger Zeit wieder Paukboden von ein paar Verbindungen, und daher kam der leichte Jodgeruch, der in der Luft schwebte. Die Musik besorgte ein Plattenspieler. Und wenn man Bier trank, war es ein billiges Vergnügen. Werner hatte Sabine Herrn Henrici als seriösen Großkaufmann, Herrn Paulig als Generalvertreter eines Industriekonzerns und seine zukünftigen Kollegen als reizende Leute geschildert, mit denen zusammenzuarbeiten das reine Vergnügen sein werde. In Wirklichkeit hatte er einen Schlag bekommen, der ihn für Stunden auf die Bretter legte. Aber er biß die Zähne zusammen und sagte sich schließlich, daß es gleich sei, womit und mit wem er anfinge. Einmal mußte er die Praxis des Vertreterberufes kennenlernen, und wenn Paulig wirklich die Verkaufskanone war, als die Henrici ihn hinstellte, dann mußte es möglich sein, diesem Mann hinter das Geheimnis seines Erfolges zu kommen und selber erfolgreich zu werden. Und irgendwie hatte ihm auch die Unverfrorenheit von Henrici imponiert, mit der jener ihnen erklärt hatte, welche Schinderei sie erwarte. Nun, er war bereit, sich die Absätze schief zu laufen. Und er führte Sabine bei den Tangos und Langsamen Walzern hingegeben und zärtlich durch den staubigen, kleinen Saal. Aber er trank ein wenig mehr als sonst und wurde fast zu aufgekratzt und lustig. Sabine aber schien es herrlich zu finden, daß er schließlich einen kleinen in der Krone hatte.
    An diesem Abend geschah bei Holldorfs das kleine Wunder, daß ein Blinder sehend wurde. Während Anni ihrem Flocki die Flasche gab, öffnete sich eines seiner Augen, und Annis Gesicht spiegelte sich zum erstenmal winzig in seinem erstaunten Blick.
    »Mutti! Der Flocki schaut mich an!« schrie sie auf.
    Wahrhaftig, er tat es, er tat es wenige Minuten später sogar mit beiden Augen.
    »Und blau sind sie auch«, stellte der Peter staunend fest.
    Der erste optische Eindruck dieser Welt schien nicht allzu überwältigend zu sein, denn der Flocki ließ sich dadurch nicht stören, die Flasche bis auf den letzten Tropfen zu leeren, und genauso wie zu seinen blinden Zeiten zu winseln und kleine Jammerlaute auszustoßen, als ihm die versiegte Milchquelle entzogen wurde. Auch Frau Holldorf war von dem Ereignis tief beeindruckt. Während sie Kinder das Puppenbett, in dem der Flocki immer noch schlief, mit frischer Holzwolle versorgten, nahm sie den Hund in die Arme und ging, ihn wie einen Säugling wiegend, in der Küche auf und ab.
    »Schau ihn dir

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