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Ein Haus geteilt durch 8

Ein Haus geteilt durch 8

Titel: Ein Haus geteilt durch 8 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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Verführungsakt war es nicht. Aber daß auch diese Kanone an jeder Tür neurotische Schweißausbrüche bekam, ehe er seine Platte abspielte, das war bemerkenswert. Und diese Schweißausbrüche lernte er dann selber zur Genüge kennen. Aber ganz abgesehen davon war es eine pausenlose Schinderei, ein Treppauf und Treppab vom Morgen bis zum Abend, eine erbarmungslose Hetzjagd, nach der man mit brennenden Füßen und ausgedörrter Kehle an dem Pfeffer der erlittenen Demütigungen und Beleidigungen würgte.
    Morgens um sieben ging es los. In irgendeinem Nest trommelte der Hausknecht gegen die Tür, man wälzte ein zentnerschweres, mit zusammengeballten Hühnerfedern gefülltes Oberbett zur Seite, warf auf das Laken lieber keinen Blick, wusch sich in einer Schüssel, an der noch die Schmutzränder des Vorgängers klebten, und rasierte sich. Natürlich mit einer Klinge, um wenigstens am Vormittag den Kunden zeigen zu können, was für eine fabelhafte Rasur der Apparat >Troika< zuwege brachte. Trank ein Gesöff, das sich Kaffee nannte, und schlang dazu trockenes Brot in sich hinein, da die Marmelade zu unappetitlich aussah, um sie zu genießen. Draußen vor der Tür warteten schon die beiden Kleinbusse, in die man sich zu sechst hineinklemmte. Am Steuer des einen Wagens Paulig, am Steuer des andern Herr Seligmann, >der gelbe Seligmann< genannt, weil seine Haut durch ein Leberleiden quittengelb verfärbt war. Seligmann galt als das zweitbeste Pferd in Henricis Stall. Alles übelgelaunt und verkatert, von den ausgeknobelten Schnäpsen des vergangenen Abends oder von der allgemeinen Stimmung angesteckt. So wurden die Dörfer abgekämmt und die Häuser, die am Wege lagen. Der eigentliche Großkampf begann, wenn sie in die Städte kamen. In der Organisation leistete Henrici gute Arbeit, trotzdem gab es andauernd erbitterten Streit; der eine meckerte, er hätte ein Proletenviertel erwischt, dem andern war sein Bezirk zu vornehm, lauter Leute, die längst einen elektrischen Rasierapparat besaßen, der dritte hatte tatsächlich einen Block bekommen, in dem ein Nonnenkloster lag, und der vierte den Friedhof.
    Es war nicht so, daß ein bestimmtes Soll erfüllt werden mußte, das sich in Prozenten nach der Zahl der besuchten Kunden ausdrücken ließ. Man hatte gute Tage und man hatte schlechte Tage, oder gute Bezirke und weniger gute. Aber sie trieben sich gegenseitig in die Höhe, einmal, weil sie natürlich verkaufen und verdienen wollten, und dann auch, weil Paulig am Abend die Aufträge sammelte und die Leistungen der einzelnen Leute miteinander verglich.
    »Is natürlich Ihre Sache, obse verkaufen oder sich inne nächste Kneipe setzen und Skat spielen, werter Herr. Is nur ‘n bißchen schade, nich, daß Sie dann keen’ andern an Ihren Bezirk ranlassen, Mann. Oder wollnse im Ernst behaupten, daß drei Apparate alles is, was sich bei Ihnen rausholen ließ?«
    Spurte der Mann daraufhin weiter nicht, nun, dann war er eben eines Tages nicht mehr da und ein anderer fuhr an seiner Stelle in der Kolonne. So verschwand eines Tages der Mediziner, von dem Werner seiner Sabine erzählt hatte, ein übler Bursche, der nie im Leben studiert, wohl aber Rezepte gefälscht hatte, weil er rauschgiftsüchtig war. So verschwand eines Tages auch der Kavalier mit dem kessen Schnurrbart, nachdem bei der Polizei Anzeigen eingelaufen waren, daß seine Werbungsmethoden Frauen gegenüber, deren Männer sich im Dienst befanden, allzu stürmisch waren. So verschwanden andere, weil es sich herausstellte, daß sie Unterschriften erpreßt hatten, und andere, weil die Unterschriften nicht von den Bestellern, sondern von ihnen selber stammten.
    Am Abend fiel der Heuschreckenschwarm in irgendein Quartier möglichst außerhalb der Städte, weil man in den Dörfern billiger lebte, aber den billigen Preisen entsprachen auch das Essen und vor allem die Betten. Da streckte man dann die angeschwollenen Füße unter einen schmierigen Tisch, war zu erschöpft, um sich auch nur die Hände zu waschen, stürzte ein Bier herunter, um die trocken geredete Kehle zu ölen, und wartete auf den ewig gleichen Fraß. Alle waren sie fertig und ausgepumpt. Auch Herr Paulig, der ein paar Schnäpse brauchte, um zu Appetit und auf Touren zu kommen. Dann aber drehte er groß auf, schäkerte mit der Kellnerin, erzählte Witze, daß die Stuhlbeine rot wurden, und holte schließlich die Karten aus der Tasche. Skat, Schafkopf, Doppelkopf, Tarock, Siebzehn und vier, Meine Tante deine Tante,

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