Ein Haus geteilt durch 8
interessiert.
»Er will Sie sprechen.«
»Was ist los?«
»Keine Ahnung. Lassen Sie sich’s von ihm selber erzählen.«
Werner massierte sich mit der Spitze des Mittelfingers das rechte Auge. Im oberen Lid zuckte seit Tagen ein Nerv. Es war störend und lästig. Und das Reiben nützte nichts. Er beobachtete Paulig von der Seite. Der Mann war gut fünfzehn oder zwanzig Jahre älter als er. Bis auf die Tränensäcke unter den Augen und die allzu lebhafte Färbung der Nase sah er gesund und frisch aus.
»Macht Ihnen die Sache eigentlich Spaß, Herr Paulig?«
Paulig suchte für einen Augenblick im Rückspiegel Werner Fröhlichs Gesicht. Mit einer Hand weitersteuernd zündete er sich eine neue Zigarette an.
»Was heißt die Sache? Die Sache ist mir wurscht. Mir macht Geld Spaß. Ihnen nicht?«
»Natürlich.«
»Na also. Dann hören Sie auch auf, kariert zu quatschen.«
Auf dem Schild des Kontors, das Herr Henrici in einem Geschäftshaus gemietet hatte, stand:
P. B. HENRICI
Großhandel und Generalvertretungen
Hinter dem spartanisch möblierten Büro, in dem der Chef seine Vertreter abfertigte, befand sich ein Raum, dessen Einrichtung fast luxuriös zu nennen war. Werner Fröhlich irrte sich nicht in der Annahme, daß Herr Henrici sich hier nicht nur mit seinen Geschäftspartnern traf. Ihm widerfuhr zum erstenmal die Ehre, vom Chef nach der Abrechnung des Wochenumsatzes in dieses lauschige Boudoir gebeten zu werden, wo Paulig schon in einem Sessel lag und die Beine weit von sich streckte.
»Ein Cognac gefällig, meine Herren?«
Das sah nicht danach aus, als ob Henrici ihm erklären wolle, er werde auf seine Dienste in Zukunft leider verzichten müssen. Nein, genau das Gegenteil war der Fall. Der Bezirk, der Herrn Henrici als Generalvertreter unterstand, war so erfolgreich abgegrast worden, daß es sich nicht mehr lohnte, zwei Kolonnen mit dem Rasierapparat weiterhin auf Reise zu schicken. Es genügte, wenn der gelbe Seligmann noch ein paar Wochen lang die letzten Rosinen aus dem Kuchen puhlte. Henrici hatte inzwischen nicht nur eine neue Vertreterkolonne angeworben, sondern auch einen neuen Artikel gefunden, mit dem er zwei Kolonnen über Land schicken wollte. Es handelte sich um einen Bügelautomaten, der auf verschiedene Hitzegrade einzustellen war und sich selbständig ausschaltete, wenn man die Hand vom Griff löste. Der Preis war konkurrenzlos billig, und der Verkaufserfolg so gut wie sicher, da Henrici an Hand von statistischem Material nachweisen konnte, daß in den meisten Haushalten noch völlig veraltete Bügeleisen in Gebrauch waren. Werner Fröhlich bekam vor der Organisation des Unternehmens Respekt.
»Noch einmal die Luft aus den Gläsern, meine Herren?«
»Ich habe noch nie nein gesagt«, erklärte Herr Paulig und hielt dem Chef sein Glas entgegen. Auch Werner ließ sich zum zweitenmal einschenken. Der echte Cognac rann ihm warm in den Magen und brachte das lästige Zucken des Lidnervs zur Ruhe. Der Chef hob sein dickbauchiges Glas und roch daran, der Brillant am kleinen Finger sprühte Feuer.
»Sie haben sich gut gemacht, Herr Fröhlich«, sagte er und nippte an dem Glas. »Haben Sie einen Führerschein?«
»Ja, Herr Henrici.«
»Ich habe einen neuen Wagen angeschafft. Hätten Sie Lust, eine der beiden Kolonnen zu übernehmen?«
»Was habe ich dabei zu tun?«
»Sie haben darauf zu achten, daß die Burschen spuren. Sie haben täglich mit ihnen abzurechnen, und Sie haben mich jeden Abend anzuläuten. Das ist eigentlich alles.«
»Und was kommt für mich dabei heraus? Denn es ist schließlich ein gewisser Zeitverlust.«
»Drei Prozent vom Umsatz Ihrer Kolonne.«
»Gut, dann nehme ich Ihr Angebot mit Dank an. Wann soll die Tour steigen?«
»Montag in acht Tagen. Sie bekommen von mir rechtzeitig Nachricht und Werbematerial. Sonst noch was?«
Es gab keine weiteren Fragen, und die Herren Fröhlich und Paulig erhoben sich, um sich zu verabschieden. Im Treppenhaus blieb Werner eine Sekunde lang vor der Tür stehen und deutete mit dem Kinn auf das Schild: Großhandel und Generalvertretungen.
»Wie kommt man an so was ran?« fragte er Paulig.
»Mit Geld, junger Mann«, antwortete Paulig lakonisch. »Wenn Sie zwanzig oder dreißig Mille hinterlegen können, dann können Sie andere für sich strampeln lassen. Und wenn Sie kein Geld haben, müssen Sie eben selber strampeln. Servus«, und er tippte mit zwei Fingern an den Hutrand und ging davon.
Es war ein heißer Julitag. Auf den Straßen
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