Ein Haus geteilt durch 8
deinem Vater habe ich ein bißchen Angst.«
»Mach dich nur hübsch, Süße, und tu nichts weiter, als ihm andächtig zuhören, wenn er spricht. Dann wird er hinterher behaupten, sich glänzend unterhalten zu haben. Das ist die Taktik meiner Mutter, und sie bewährt sich seit fünfundzwanzig Jahren.«
Er ließ den Rasierapparat übers Kinn schnurren, band seine Krawatte und führte Sabine die Treppe hinab. Es war ein Glück, daß er sie festhielt, denn über die Gummimatte vor der ersten Treppe wäre sie beinahe zu Fall gekommen. Unten riß der Chauffeur Heinrich Wollke den Schlag des Wagens auf.
»Guten Abend, gnädige Frau - guten Abend, Herr Fröhlich! Ich freue mich, Sie wiederzusehen.«
»Danke, Wollke, ich freue mich auch. Wie geht’s der Frau?«
»Immer das gleiche, Herr Fröhlich. Arthritis... das ist nun so ‘n Wort... Aber dagegen tun können die Ärzte auch nichts.«
Die große Limousine zog geräuschlos ab und glitt weich in die Kurven. Sabine schmiegte sich an Werner.
»Hast du gehört?« flüsterte sie. »Er hat zur mir >gnädige Frau< gesagt.«
»Was soll Wollke schon zu dir sagen?«
»Wenn Frau Holldorf es gehört hätte! Sie muß durch den Briefkastenschlitz gespitzt haben, als deine Mutter kam oder ging. Sie hätte das Kleid beinahe für reine Seide und das Armband beinahe für echt gehalten.«
»Und Mutter beinahe für eine Dame, wie?«
»Genauso.«
»Das mußt du deinem Schwiegervater gelegentlich erzählen. Er hat Sinn für Humor.«
»Ich werde mich hüten!«
Man schien auf den Wagen schon gewartet zu haben, der das offene schmiedeeiserne Tor durchfuhr und vor der Terrasse hielt. Die Fenster des Hauses waren erleuchtet, und durch die offenstehende Doppeltür der Diele kamen ihnen Werners Eltern entgegen. Zwischen Mutter und Sohn gab es eine stürmische Umarmung, dann nahm Frau Fröhlich Sabine an der Hand und führte sie zu Werners Vater.
»Gib deinem Schwiegervater einen Kuß, Sabine«, sagte sie, »und dann überlaß ihm für eine Weile deinen Werner. Wir schauen inzwischen in die Küche. Unsere Erika läßt die Saucen immer zu dunkel werden.«
Sabine hob das Gesicht ihrem Schwiegervater entgegen. Er küßte sie herzhaft und nahm ihr Gesicht in beide Hände.
»Warst du eigentlich schon als Fräulein Handrig so hübsch, Sabine?«
»Nicht ganz so hübsch wie heute«, antwortete Werner für sie, »aber auf jeden Fall so hübsch, daß du blind gewesen sein mußt, wenn du es damals nicht bemerkt hast.«
»Komm, Sabine«, sagte Werners Mutter und zog sie mit sich fort.
Vater und Sohn blickten den Frauen nach, bis sie die Diele verlassen hatten. Dann erst wandte sich Dr. Fröhlich Werner zu.
»Meinen Glückwunsch, mein Junge. Sie ist wirklich ein entzückendes Geschöpf, nicht nur äußerlich; denn das wäre nicht genug.«
»Schade, daß du es mir nicht früher geglaubt hast, Vater. Aber das ist nun vorbei.«
»Zigarette?« fragte der Vater und bot Werner sein Etui an.
»Danke, gern.«
Werner ließ das Feuerzeug aufzucken und reichte seinem Vater die Flamme. Er überragte ihn um einen guten halben Kopf und wirkte in den Schultern doppelt so breit.
»Du siehst glänzend aus, mein Junge, so gut, wie du noch nie ausgesehen hast. Ich glaube wahrhaftig, daß du inzwischen noch gewachsen bist, zum mindesten bist du breiter geworden.«
»Die Arbeit in den Bleigruben«, grinste Werner.
»Was ihr dort macht...«
»... ist ein glatter Schwindel, ich weiß. Aber ich hoffe, daß die Geschichte gut ausgeht. Findest du sie sehr schlimm?«
»Für Holldorf nicht. Bei dir stören mich die vier Semester Jura ein wenig. Wenn es schiefgeht und wenn der Bauer euch anzeigt, kannst du dich nicht darauf herausreden, nicht gewußt zu haben, wem das Blei gehört. Aber ich persönlich finde deinen Einfall großartig.«
»Leider war es nicht mein Einfall, sondern Holldorfs Idee.«
»Wer ist der Mann?«
»Unser Nachbar. Und einer von den Leuten, die durch Schwibus junior arbeitslos geworden sind.«
»Was war er bei Schwibus?«
»Lagerverwalter, aber von Hause aus ist er Schmied und versteht sich auf Reparaturen von Baumaschinen. Sag einmal, Vater, könntest du Holldorf vielleicht bei dir unterbringen?«
»Hm? Weiß er, wer du bist?«
»Nein, er hat vorläufig keine Ahnung davon.«
»Bei uns ist in den letzten Wochen mehrmals in den Lagerhallen eingebrochen worden. Wir haben daran gedacht, einen jüngeren Lagerverwalter einzustellen und ihm im Werkgelände eine Wohnung einzurichten. Wäre
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