Ein Haus geteilt durch 8
Hobusch, Holldorfs Bekannter, mit einem Lastwagen der Firma Fröhlich & Söhne erscheinen sollte, um das in alte Zementsäcke gepackte Blei aufzuladen. Werner Fröhlich war bei dem Gedanken an das Erscheinen des Lastwagens nicht ganz wohl; denn er mußte befürchten, vom Chauffeur erkannt zu werden. Er selber verband mit den Namen Hobusch keine Vorstellung, was aber nicht ausschloß, daß der Mann ihn kannte. Seinem Vater hatte er von dieser Verabredung natürlich nichts erzählt, denn sie wäre für Holldorf nicht gerade eine Empfehlung gewesen.
Am Nachmittag gegen vier sollte der Lastwagen erscheinen. Holldorf wollte ihn an der Straßenkreuzung erwarten, denn Hobusch kannte die Gegend nicht. Werner gelang es, Holldorf davon zu überzeugen, daß es besser sei, wenn er selber den Wagen an der Straße erwarte. Er schützte einen schmerzhaften Muskelriß vor, der es ihm schwer machte, die Halbzentnerpakete aus dem Keller zu schleppen und vorsorglich zu stapeln, um das Beladen zu beschleunigen. Holldorf war damit ohne weiteres einverstanden.
Als der Wagen dann kurz nach vier tatsächlich auftauchte und von Werner gestoppt wurde, kam es so, wie er es befürchtet hatte. Er entsann sich des Gesichts des Chauffeurs, der schon seit Jahren in der Firma seines Vaters angestellt war, und der Mann erkannte ihn natürlich auf den ersten Blick. Er wurde vor Schrecken blaß; denn er meinte nichts anderes, als daß die Schwarzfahrt durch irgendeinen Umstand aufgekommen sei und daß der Juniorchef persönlich hier gewartet habe, um ihn zu stellen.
»Hören Sie zu, Hobusch«, sagte Werner, nachdem er sich aufs Trittbrett geschwungen hatte, »Ihr Freund Holldorf hat keine Ahnung davon, wer ich bin. Nehmen Sie meinetwegen an, daß ich Holldorf aus reinem Vergnügen geholfen habe, das Blei ‘rauszubuddeln. Wenn Sie den Mund halten, dann halte auch ich dicht, daß Sie hier eine Extratour gemacht haben, verstanden?«
»Jawohl, Herr Fröhlich!«
»Und sagen Sie nicht Herr zu mir, sondern reden Sie mich an, wie Sie sonst Leute anreden, die Sie nicht kennen.«
»Jawohl, Herr Fröhlich!«
»Mensch«, knurrte Werner ihn an.
»Also los, Genosse«, grinste Hobusch geistesgegenwärtig und steckte sich die Zigarette, die ihm Werner anbot, hinters Ohr. Er schob den Gang ein und steuerte den schweren Wagen vorsichtig in der alten Wagenspur zum Kugelfang.
»Na?« grinste Holldorf Werner entgegen. »Habe ich zuviel versprochen? Kann man sich auf Willi verlassen oder nicht?«
»Wie auf den Kreuzbuben.«
»Los, los, Männer!« drängte Hobusch. »Jetzt aber ran! Mehr als zwei Stunden kann ich nicht schwarzmachen!«
Trotz des kühlen Wetters rann ihnen der Schweiß bald in Strömen in den Hals. Holldorf hievte die kleinen, aber eben bleischweren Pakete aus dem Keller, Werner nahm sie in Empfang und wuchtete sie auf den Wagen, wo Willi Hobusch die Last verteilte. Es mochten dreißig bis fünfunddreißig Zentner sein. Dabei hatten sie schon gut zehn Zentner heimgeschafft. In einer Stunde waren sie mit dem Beladen des Lastwagens fertig, Holldorf nahm neben Hobusch im Steuerhaus Platz. Werner trat das Motorrad an und fuhr dem Wagen langsam über den holprigen Waldweg voraus.
Zur gleichen Stunde, als Werner an der Landstraße nach Bötzfeld auf das Anrollen des Wagens wartete, kam Sabine von ihrem letzten Arbeitstag bei ihrer Firma heim. An der Ecke, wo nun im Bries-kornschen Geschäft Pächter Kahl und seine Frau Milch und Käse verkauften, traf sie Frau Lindberg, die bei Kaufmann Baldauf ein Pfund Käse geholt hatte. Er duftete so kräftig aus der Einkaufstasche, daß Sabine schnuppernd die Luft einsog.
»Nun, Frau Fröhlich, sind Sie etwa immer noch bei Ihrer Firma tätig?«
»Es war heute der letzte Tag.«
»Ah, dann kann man also bald gratulieren.«
»In vierzehn Tagen, hoffe ich.«
»Wie geht es Ihnen?«
»Gut, seit es nicht mehr so heiß ist. Die Nächte in der Mansardenwohnung...«
»Ich kann es mir lebhaft vorstellen. Unser Schlafzimmer geht nach Norden, trotzdem war es warm wie im Backofen.«
Sie öffnete die Haustür und ließ Sabine an sich vorbei.
»Wenn es soweit ist, Frau Fröhlich, Sie wissen, wir haben Telefon. Nicht, daß Ihr Mann etwa zum Automaten läuft.«
»Herzlichen Dank! Ich werde es Werner sagen.«
Sabine nickte Frau Lindberg grüßend zu, wollte die erste Stufe nehmen und verfehlte sie oder stolperte über den Fußabstreifer, dessen Rand sich wieder einmal hochgestellt hatte. Frau Lindberg sprang hinzu.
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