Ein Haus geteilt durch 8
ungläubig hervor.
»Sie holte mich vom Büro ab und fuhr mit mir in einem Taxi zu unserer Wohnung und saß hier von halb fünf bis sieben, und wir tranken Tee miteinander und aßen Apfelkuchen.«
Er starrte sie an, als befürchte er, ihr Zustand könne eine geistige Verwirrung hervorgerufen haben.
»Was schaust du mich so merkwürdig an, Werner? Deine Mutter sagt Sabine und du zu mir, und ich nannte sie Mutter, und dann sagte sie, du und dein Vater, ihr wäret beide furchtbare Dickschädel, und wir Frauen müßten endlich etwas unternehmen, um diese blödsinnige Geschichte zwischen euch wieder in Ordnung zu bringen. Und damit sagte sie genau das, was ich mir seit jeher gedacht habe. Und dann schenkte sie mir den Ring und bat mich, dir viele Grüße zu bestellen. Das war alles.«
»Und das erzählst du mit einer Ruhe, als hättest du im Milchladen die Frau Holldorf getroffen?«
»Es war ja auch nichts Dramatisches dabei. Im ersten Augenblick habe ich mich natürlich gefürchtet und geglaubt, sie wolle mir eine Szene machen, daß ich ihr ihren Goldjungen einfach weggenommen habe, aber dann haben wir miteinander gesprochen, als ob wir uns schon seit Jahren kennen. Und ein paar Tränchen hat es natürlich auch gegeben. Eine reizende Frau, deine Mutter! Ich habe mich vom ersten Augenblick an in sie verliebt.«
Er starrte kopfschüttelnd auf den Ring an Sabines Hand, als könne er es immer noch nicht recht fassen. Und dann führte er die Gabel mechanisch zum Mund, aber er legte sie wieder auf den Teller zurück.
»Jetzt ist das Essen natürlich kalt geworden.«
»Das auch. Aber mir hat es außerdem den Appetit verschlagen.«
»Aber warum denn? Freut es dich etwa nicht, daß deine Mutter hier war und daß wir beide uns so gut verstanden haben?«
»Ach, Sabine, ich glaube, du verstehst nicht recht, was das bedeutet. Ich will ja nicht abstreiten, daß diese Entzweiung mit meinen Eltern mir schwer an die Nieren gegangen ist und daß ich wer weiß was darum gegeben hätte, mit ihnen wieder gut zu stehen. Aber auf der anderen Seite durfte ich endlich mein eigenes Leben führen, unser Leben, wie es uns beiden paßt - und das werden sie uns jetzt wieder madig zu machen versuchen.«
»Nein, Werner, das werden sie nicht! Das ist nämlich ein Punkt, über den ich mit deiner Mutter ganz deutlich gesprochen habe. Und sie findet es richtig so und will das auch deinem Vater beibringen.«
»Ach, du lieber Gott«, seufzte er, »meine Mutter meinem Vater. Das ist genauso, als ob du mit einer Wachskerze einen Baum umsägen willst.«
»Deine Mutter aus Wachs? Das bildest du dir nur ein. Deine Mutter wird mit deinem Vater schon fertig. Aber jetzt ist das Essen wahrhaftig eiskalt geworden. Die Nierchen kann ich ja aufwärmen, aber was fange ich mit den kalten Kartoffeln an?«
»Ach, weißt du, mach Bratkartoffeln daraus. Und inzwischen werde ich auch wieder Hunger bekommen.«
Sabine nahm die Schüsseln vom Tisch, schüttete die sauren Nieren in den Emailtopf zurück und begann, die Kartoffeln in die Bratpfanne zu schnippeln.
»Du mußt mir die Geschichte haargenau und von Anfang an erzählen, Süße! Also du kamst nichtsahnend aus dem Büro...«
Er wurde durch das Läuten der Türglocke unterbrochen.
»Sicher wieder Holldorf«, knurrte er unwillig.
»Mach gar nicht auf«, flüsterte Sabine, »sag ihm durch die Tür, daß du dich gerade wäschst und daß ich schon im Bett liege.«
Aber es war niemand von Holldorfs, sondern es wurde von unten geläutet, und die Haustür war bereits abgesperrt. Werner zögerte. Vielleicht hatte jemand nur auf den falschen Klingelknopf gedrückt. Aber schon schellte die Glocke zum zweitenmal, und es blieb ihm nichts anderes übrig, als hinunterzuspringen. Er kam nach kurzer Zeit wieder. »Es ist Wollke, Sabinchen!«
»Wer ist Wollke?«
»Der Chauffeur meines Vaters. Und er hat den Auftrag, uns beide zu holen. Zum Abendessen. Was soll nun mit den sauren Nieren und den halbfertigen Bratkartoffeln geschehen?«
»Ich wärme sie dir morgen früh an. Mach jetzt, daß du dich anständig anziehst.«
»Das ist aber auf einmal schnell gegangen«, murmelte er.
»Und du hast gemeint, daß deine Mutter aus Wachs ist.«
»Was soll ich anziehen?«
»Nur nicht allzu feierlich, sonst komme ich nicht mit.«
»Den Oberleutnant in Zivil?« Es war der Anzug, den er bei Herrn Schuster in Bötzfeld angehabt hatte.
»Ja. Dann nehme ich das blaue Meid. Frau Holldorf hat es erst gestern weiter gemacht. Vor
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