Ein Haus geteilt durch 8
Meinungsverschiedenheit gegeben hat?«
»Auf einer Redaktion hört man mancherlei«, sagte Dr. Lindberg diplomatisch.
»Es handelte sich nur darum, dem alten Herrn beizubringen, daß man nach der eigenen Wahl heiraten und nach der eigenen Façon leben möchte. Er hat es eingesehen.«
»Darauf ein Prösterchen.«
»Und Ihnen möchte ich besonders danken, Frau Lindberg! Auch im Namen meiner Mutter. Wie kam es nur, daß meine Sabine so unglücklich fiel?«
»Ich glaube, sie stolperte über den Fußabstreifer.«
»Dieses Biest«, sagte Werner grimmig. »Schon neulich einmal, als wir zu meinen Eltern fuhren, wäre Sabine fast darüber gefallen. Ein Glück, daß ich sie hielt, sonst wäre es womöglich schon damals geschehen.«
Er verabschiedete sich von Lindbergs und ging in die leere Wohnung hinauf. War es der genossene Wein oder waren es die überstandenen Aufregungen, plötzlich fühlte er sich so müde, daß er die Zigarette ausdrückte, sich die Kleider vom Leibe streifte und sich so, wie er war, ungewaschen und im Arbeitshemd auf die Couch streckte und im gleichen Augenblick, in dem er das Licht löschte, tief und traumlos einschlief.
Sabine blieb zehn Tage in der Klinik, zehn Tage, in denen sie sich von Stunde zu Stunde kräftigte, Farbe bekam und ihre kleine Tochter nährte. Werner besuchte sie täglich zweimal, schaute andächtig zu, wenn seine Gaby brüllend hereingebracht wurde und friedlich schmatzend verstummte, wenn Sabine sie zu sich nahm. Das faltige, kleine Greisengesicht, das ihn beim ersten Anblick fast erschreckt hatte, war glatt wie ein Pfirsich geworden, die merkwürdige Tomatenfarbe war rosig verblichen, und auf dem kleinen Schädel waren nicht gerade Locken, wohl aber ein paar seidenweiche Haare zu entdecken, die von der Schwester zu einem kecken Schübel zusammen- und hochgebürstet worden waren.
»Wirklich, sie wird von Tag zu Tag menschenähnlicher«, sagte er beruhigt.
»Was fällt dir ein, Werner! Menschenähnlicher! Alle Schwestern sagen übereinstimmend, es wäre das hübscheste Kind, das sie je auf der Station gehabt hätten!«
»Wirklich? Schau einmal an.«
»Und solch ein gescheites Kind. Wenn es nur ins Zimmer getragen wird, hört es schon auf zu schreien.«
»Und so gefräßig. Es wird doch hoffentlich von dir noch etwas für mich übriglassen, Süße!«
Sein Vater wollte Wollke mit dem Wagen schicken, um Sabine heimzubringen. Aber Werner war für ein Taxi. Der große, von einem Privatchauffeur gesteuerte Wagen paßte ihm nicht in sein Programm. Er wollte vor allem Holldorf nicht kopfscheu machen. Denn kurz bevor Sabine mit der kleinen Gaby wieder in der Wohnung einzog, hatte Holldorf über das Arbeitsamt eine Mitteilung bekommen, sich bei der Firma Fröhlich & Söhne KG. zu melden. Er kam mit dem Schreiben des Arbeitsamtes zu Werner herüber, der gerade dabei war, die Wohnung für Sabines Einzug auf Hochglanz zu bringen. Es hatte sich einiges darin geändert. In der Küche stand ein kleiner Eisschrank, der Boucléteppich war in das kleine Zimmer gekommen, das mit einer weißen Wickelkommode, einem weißlackierten Schrank und einem Bettchen ein richtiges hübsches Kinderzimmer geworden war; dafür lag im Wohnzimmer ein Wollteppich mit einem Orientmuster auf den Dielen, und zwei bequeme, kleine Sessel waren dazugekommen.
Holldorf war sehr aufgeregt.
»Ausgerechnet Fröhlich & Söhne«, sagte er und kratzte sich den Kopf; »Mann, der Chef von Willi Hobusch wird doch nicht etwa
Wind davon bekommen haben, daß Willi mal für uns schwarz gefahren ist, wie?«
»Kann ich mir nicht denken, Herr Holldorf. Wenn es darum ginge, würde die Firma schließlich nicht das Arbeitsamt einschalten.«
»Das hat meine Frau auch schon gesagt.«
»Vielleicht will man Ihnen einen Posten anbieten?«
»Posten? Glauben Sie, daß Schwibus für einen Mann eine Empfehlung ist? Bei einem Unternehmen wie Fröhlich & Söhne?«
Er machte sich nach dem Mittagessen auf den Weg und kam nach drei Stunden zurück, als hätte er das Große Los gezogen oder in der >Lötlampe< einen zu viel verlötet. Werner entging dem ersten Sturm, aber auch am Abend hatte Holldorf sein Glück noch nicht ganz verdaut.
»Hören Sie zu, Mann! Also ich gehe raus und zeige dem Portier den Wisch vom Arbeitsamt. Und da telefoniert er mit dem Büro und sagt zu mir: >Da gehen Sie bei Prokurist Mehling, Zimmer neunzehn.< Also ich hin und komme in Nummer neunzehn in ein Vorzimmer, wo zwei Mädchen an Schreibmaschinen sitzen. Und
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