Ein Haus in Italien
in jene mystischen Reihen hineinzubugsieren. Nur wenige moderne Verfahren des Banksystems sind bis Siena oder gar in die weniger illustren Zweigstellen vorgedrungen. In abgeteilten Palästen herrscht eine mittelalterliche Atmosphäre von Geheimnis, herbstlichem Blättersammeln und nicht geknackten Geheimcodes. Es kostete große Anstrengung, sich daran zu gewöhnen, und es erforderte Studium und auch Umsicht, zu überleben. Da dies für mich nicht in Frage kam, bedurfte es einer gehörigen Portion Glücks, einigen Charmes und einer lebhaften Vorstellungskraft. Von Zahlen verwirrt und dem Kleingedruckten auf meinen zahlreichen Bankverträgen eingeschüchtert, die sämtlich jahrelangen Aufenthalt in Elend und Gefangenschaft in Aussicht stellten, blieb mir
manchmal keine andere Wahl, als die aufgewühlten Wogen unseres Kontostandes persönlich zu glätten.
Imolo zeigte mir, daß ich eine Begegnung mit der Bank umgehen konnte, indem ich Schecks in Menchinas Laden einlöste. Aber hin und wieder, nach dem Erhalt furchtbarer Telebotschaften, die ihren Weg zur Villa irgendwie sehr viel problemloser fanden als unsere übrige Post, blieb mir dennoch keine andere Wahl, als nach Città di Castello zu fahren.
Die Banken in Italien werden von bewaffneten Wächtern bewacht, die in einem Land, in dem Banküberfälle an der Tagesordnung sind, so unauffällig wie möglich auszusehen versuchen. Ein elektrischer Knopf an der kugelsicheren Außentür gewährt Einlaß in eine Glaszelle. Die nächste elektronische Tür öffnet sich erst, wenn sich die andere geschlossen hat. Ein bebildertes Schild teilt mir mit, im Falle eines Banküberfalles sei der Safe durch ein Zeitschloß 144 Stunden lang gesperrt. Nichts öffnete sich, wenn man den Knopf der zweiten Tür mit etwas anderem berührte als mit der nackten Haut: Bei einem Handschuh oder Pflaster heulte die Alarmanlage los. Einmal im Inneren, wurden Schwierigkeiten in ein kleines Labyrinth schrankgroßer Büros im hinteren Teil verfrachtet. Ich fand mich dort immer genauso wartend wieder wie damals als Kind vor der Tür meiner Schuldirektorin. Banken, Schulen und Ärzte geben mir das Gefühl, in Ungnade gefallen zu sein. Dante hätte aus den verschlungenen Gängen in meiner Bank Fabelhaftes machen können. Wenn ich ein weiteres Mal in die Sonne und auf die graugepflasterten Straßen entkommen war, ging ich schnurstracks zum caffè auf der anderen Seite des großen Platzes, erleichtert wie nach der Gewährung eines Strafaufschubs.
Als wir nach Città di Castello fuhren, waren wir alle der Ansicht, daß es dort mehr geben müsse als ein Krankenhaus, einen Taxistand, eine phantastische heiße Schokolade und eine schreckliche Bank. Vor der Stadtmauer, hinter einer Doppelreihe Roßkastanien, spielten alte Männer mit schweren Tonkugeln Boccia, von einem Lastwagen wurden an eine Schlange feilschender Frauen Tauben und Perlhühner verkauft. Unsere holländischen Freunde waren mit einem Fremdenführer bewaffnet angereist, wo es hieß, Città di Castello sei »das antike Tifernum. Im Mittelalter arbeiteten hier Raffael, Signorelli, Vasari und die della Robbia … Der Duomo stammt von Elia di Bartolomeo … Zum Domschatz gehört u.a. ein Silberantipendium, gestiftet von Papst Celentini II. (1143), sowie der Schatz von Canoscio (5. bis 6. Jh. n. Chr.).«
Wenn in San Orsola jemand grub und gefragt wurde, wonach er grabe, lautete die Antwort immer »il tesoro di Canoscio«. Imolo hatte mir diesen Schatz erklärt. Er war im neunten Jahrhundert vergraben worden, um ihn vor Plünderern zu schützen. Nach dem Zweiten Weltkrieg – in den fünfziger oder sechziger Jahren, Imolo war sich nicht sicher – hatte ein Bauer in der Gegend ein neues Stück Erde gerodet, um aus dem steinigen Buschland ein Ackerfeld zu machen. Er hatte mit seinem Traktor schon einige Tage gearbeitet, als er zwei große flache Teller entdeckte, schwarz und völlig erdverkrustet. Er nahm sie mit und füllte sie im Hof seines Hauses mit Hühnerfutter. Jahre später verlief sich ein Pilger, der zum Heiligtum von Canoscio und dem Schrein der Madonna delle Grazie wollte. Er sah den kleinen Bauernhof und ging hin, um sich nach dem Weg zu erkundigen und etwas Wasser zu trinken. Als er rief und niemand antwortete, ging er um das Haus herum, um zu sehen, ob dort jemand sei.
Die einzigen Lebewesen, die er sah, waren ein bellender Kettenhund sowie Hühner und Enten. Das Geflügel trank aus einem schlammigen Becken, in das aus einem
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