Ein Haus in Italien
Billardzimmer nannten, weil er das in unseren Träumen eines Tages sein würde.
Je mehr Leute für längere Besuche in die Villa kamen, um so verwirrender wurde die Verteilung der Räume, also gaben wir ihnen Namen, weil wir meinten, das werde alles vereinfachen. Nun, da irrten wir, denn die Bezeichnungen verrieten entweder, was einmal aus dem Zimmer werden sollte, oder es war der Name des ersten Gastes, der dort gewohnt hatte. Wir wußten natürlich, was und wo Fidoes Zimmer war oder das Venezianische Zimmer, das Arabische Zimmer, das Blaue Schlafzimmer, aber es war für die Gäste viel schwieriger zu erraten, daß ein bestimmter verputzter Kasten irgendwann einmal blau gestrichen sein würde, ein anderer gesichtsloser Raum eines Tages venezianische Fresken und Draperien haben würde, ein dritter eine zeltartige arabische Decke. Diese Verwirrungen waren jedoch geringfügig. Zeitaufwendiger gestaltete sich das Spiel Finde-das-Badezimmer, das nicht alle erlernten.
Zum Glück fiel niemand aus einer klaffenden Fensteröffnung, den Treppenschacht hinunter oder durch einen der Fußböden, obwohl es einige kühne Versuche in dieser Richtung gab, insbesondere durch den dreijährigen Sohn meiner besten Freundin, die aus London gekommen war, um sich von einer Operation zu erholen. Aufgrund der Aufteilung des Hauses war meist alles sehr entspannt: Komplette Familien konnten sich dort aufhalten, ohne sich gegenseitig in die Quere zu kommen.
Oft sahen wir uns nur zum Abendessen (von mir gekocht,
aber mit all den frischen Zutaten der Gegend, deren Benutzung uns immer wieder eingetrichtert wurde). Ich habe immer gern gekocht. Ich fing damit an, als ich in London mit meiner Mutter und meinen Schwestern aufwuchs und sehr viel Zeit hatte. Meine Mutter kam meist müde und halbverhungert von der Arbeit nach Hause, während ich entweder mit Lymphdrüsentuberkulose berechtigt untätig herumgelegen oder aber Schuldgefühle hatte, da ich wieder einmal die schicke Mädchenschule in Dulwich geschwänzt hatte – dabei war meine Mutter so stolz darauf, daß sie mich dorthin geschickt hatte. Also begann ich, in der Küche herumzuhantieren, und aus diesem Hantieren entstanden mit der Zeit einige akzeptable Mahlzeiten.
Später, in einer Wohngemeinschaft in Oxford und danach als minderjährige Ehefrau in Italien, ärgerte es mich, wenn ein Freund meines ersten Mannes mir sagte, was für eine schlechte Köchin ich sei. Er erwähnte es nicht beiläufig, er wiederholte es als Beleidigung jeden dritten Tag, immer wenn ich mit Kochen dran war. In den völlig reglosen Stunden eines jeden Nachmittags, den ich auf der Zuckerrohrplantage in Venezuela verbrachte, stürzte ich mich, von meinen kichernden Schützlingen umringt, geradezu besessen aufs Kochen. Ich kochte täglich für mindestens zwanzig Leute, manchmal mit Hilfe und oft ohne, aber meine Opfer waren meist die Kinder und Landarbeiter der Hacienda. Sie rebellierten sehr bald gegen hochfliegende Ideen, die ich vom Kochen haben mochte, also lernte ich, schnell und einfach zu sein und einige besondere Gerichte in der Hinterhand zu haben. In Umbrien für unsere Sommergäste zu kochen erinnerte mich an jene Tage in Venezuela.
Es erinnerte mich auch daran, wie gern ich in Wohnge
meinschaften lebe, solange ich genug Platz habe, um Abgeschiedenheit zu finden. Mitunter wuchs die Gemeinschaft auf bizarre Größe an, dann ähnelte der Haushalt einem chaotischen Schiff. Jedesmal wenn es ein Gewitter gab, und das war im Durchschnitt alle zwei Wochen, wurde sofortige Gefechtsbereitschaft ausgerufen. Sommergewitter in Umbrien sind plötzlich und heftig. Mit Beginn des Augusts schrumpfte der Bautrupp auf Imolo und seinen Gehilfen Gigi, nach Ferragosto waren nicht einmal sie mehr da. Doch auch als Imolo noch da war, schien es klüger, mit den Unwettern allein fertig zu werden, denn nie half er, die Möbel aus der Reichweite des peitschenden Regens zu schieben, ohne uns überreden zu wollen, daß wir sie einlagern und ohne leben sollten, bis die Zimmer fertig und die Fenster eingesetzt seien. Als Alternative schlug er vor, wir sollten uns auf jene Ecken des Hauses beschränken, die mehr oder weniger bewohnbar seien. Wir meinten, wenn wir das täten, würden die Schlafzimmer nie fertig. Da sie so lange leergestanden hatten, war leicht vorstellbar, daß es so blieb. Die unbehauste Leere der Villa übte eine eigene Faszination aus. Technisch gesprochen, waren bereits mehr als genug Zimmer restauriert, in denen
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