Ein Haus zum Traumen
bekommen. Ich hatte Probleme, und Jim sagte zu mir, es spielt keine Rolle, Edie. Wir haben ja alles. Wir haben unseren Jimmy. Er liebte den Jungen mehr als alles andere auf der Welt. Vielleicht liebte er ihn zu sehr. Ist das eine Sünde? Ist das falsch? Sehen Sie nur, sehen Sie.«
Sie zog ein gerahmtes Foto aus ihrer Handtasche und hielt es Cilla hin. »Das ist Jimmy. Das ist unser Junge. Schauen Sie ihn sich an.«
»Mrs. Hennessy …«
»Seinem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten«, sagte sie hastig, drängend. »Alle sagten das, von dem Moment an, wo er auf der Welt war. Er war so ein guter Junge. So intelligent, so lieb und fröhlich. Er ging aufs College und wollte Medizin studieren. Er wollte Arzt werden. Weder Jim noch ich waren auf dem College. Aber wir sparten, legten Geld beiseite, damit Jimmy studieren konnte. Wir waren so stolz.«
»Er war ein gut aussehender junger Mann«, sagte Cilla müh sam und gab ihr das Foto zurück. »Was passiert ist, tut mir leid. Es tut mir aufrichtig leid. Aber ich habe keine Schuld.«
»Natürlich nicht. Natürlich nicht.« Mrs. Hennessy drückte das Foto an ihre Brust. »Ich habe jeden Tag meines Lebens um meinen Sohn getrauert, Miss McGowan. Nach jener Nacht war Jimmy nie mehr derselbe. Es war nicht nur, dass er nicht mehr gehen oder seine Arme bewegen konnte. Er verlor sein Licht, seinen Lebenswillen. Er fand sich einfach nicht mehr wieder. In jener Nacht verlor ich ihn, und ich verlor meinen Mann. Er verbrachte Jahre damit, Jimmy zu pflegen. Ich durfte es meistens gar nicht, weil er es für seine Aufgabe hielt. Ihn zu füttern, ihn umzuziehen, ihn hochzuheben. Es zerriss ihm das Herz. Es zerriss ihm buchstäblich das Herz.«
Sie trat einen Schritt zurück. »Ich schäme mich nicht, Ihnen zu sagen, dass ich erleichtert war, als Jimmy starb. Als ob mein Junge endlich wieder frei war, frei, er selber zu sein, zu laufen und zu lachen. Aber meinen Mann verlor ich auch. Jimmy war sein Lebensinhalt, auch wenn es ein bitteres Leben gewesen war. Und danach zerbrach er. Er konnte das Gewicht nicht mehr tragen. Ich flehe Sie an, schicken Sie ihn nicht ins Gefängnis. Er braucht Hilfe. Zeit, um gesund zu werden. Nehmen Sie ihn mir nicht auch noch. Ich weiß nicht, was ich dann tun würde.«
Sie schlug die Hände vors Gesicht, und ihre Schultern bebten vor verhaltenem Schluchzen. Aus den Augenwinkeln sah Cilla, dass Ford die Treppe herunterkam. Sie hob die Hand, damit er stehen blieb.
»Mrs. Hennessy, wissen Sie, was er gestern getan hat? Verstehen Sie, was er getan hat?«
»Ich weiß, dass er Sie gestern verletzt hat. Ich hätte ihm nicht sagen dürfen, dass Sie zu uns gekommen sind. Ich war wütend und habe ihn angeschrien, dass er Sie in Ruhe lassen soll. Dass ich es nicht ertragen könnte, wenn Sie so zu uns kämen. Und dann ist er davongestürmt. Wenn ich ihn nicht aufgewiegelt hätte …«
»Was war mit den anderen Malen?«
Sie schüttelte den Kopf. »Davon weiß ich nichts. Können Sie nicht sehen, dass er Hilfe braucht? Können Sie nicht sehen, wie krank er im Herzen, in seinem Kopf, in seiner Seele ist? Ich liebe meinen Mann. Ich will ihn zurückhaben. Wenn er ins Gefängnis geht, stirbt er. Dort wird er sterben. Sie sind jung. Sie haben das ganze Leben noch vor sich. Wir haben schon das Wichtigste in unserem Leben verloren. Können Sie nicht so viel Mitgefühl aufbringen, dass Sie versuchen, uns Frieden finden zu lassen?«
»Was soll ich denn Ihrer Meinung nach tun?«
»Sie könnten der Polizei sagen, dass Sie nicht wollen, dass er ins Gefängnis kommt.« Sie griff nach Cillas Hand. »Der An walt sagt, er könnte ein psychologisches Gutachten veranlassen und erreichen, dass er eine Zeitlang ins Krankenhaus kommt. Sie könnten Jim an einen Ort schicken, wo man ihm helfen kann. Das wäre doch auch eine Strafe, wenn er dorthin müsste, aber sie würden ihm wenigstens helfen.«
»Ich …«
»Und ich würde das Haus verkaufen.« Sie drückte Cillas Hand fester, und Cilla konnte ihre Verzweiflung förmlich spüren. »Ich schwöre es Ihnen, auf die Bibel. Ich würde das Haus verkaufen, und wir würden von hier wegziehen. Wenn er wieder auf den Beinen ist, würden wir nach Florida ziehen. Meine Schwester und ihr Mann ziehen nächsten Herbst nach Florida. Ich suche uns ein Haus da, und wir ziehen auch weg. Er wird Sie nie wieder belästigen. Sie könnten ihnen ja sagen, Sie wollen, dass er in eine psychiatrische Klinik geht, bis es ihm besser geht. Sie sind diejenige,
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