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Ein Held unserer Zeit

Ein Held unserer Zeit

Titel: Ein Held unserer Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Lermontow
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Ich habe mir am Ende der Stadt auf dem höchsten Punkte, am Fuße des Maschuk eine Wohnung gemiethet. Bei Sturmwetter werden die Wolken sogar mein Dach berühren. Als ich heut' Morgen gegen fünf Uhr das Fenster öffnete, füllte sich mein Zimmer mit dem Duft der Blumen, die neben dem Hause in einem bescheidenen Garten blühen. Die Zweige der duftenden Süßweichselbäume schauen zu meinem Fenster herein und heißen mich willkommen, – und von Zeit zu Zeit bestreut der Wind meinen Schreibtisch mit ihren kleinen weißen Blättern. Nach drei Seiten habe ich eine herrliche Aussicht: nach Westen die fünf Kuppen des Beschtu mit seiner bläulichen Farbe – gleichend "der letzten Wolke, wenn der Sturm sich gelegt". Im Norden erhebt sich der Maschuk wie eine persische Mütze und nimmt mir diesen ganzen Theil des Horizonts weg. Nach Osten ist die Aussicht heiterer: Zu meinen Füßen liegt ein junges hübsches Städtchen, worin die Warmbäderquellen sprudeln, und die Sprachen verschiedener Länder ertönen, – und etwas weiter erheben sich amphitheatralisch bläuliche und neblige Berge; und am Horizont zieht sich eine lange silberne Kette schneebedeckter Bergkämme hin, die mit dem Kasbek beginnt und mit dem doppelköpfigen Elbrus schließt ... Wie herrlich muß es sich leben auf einem solchen Flecken Erde! Ein gewisses Gefühl des Wohlbehagens durchströmt alle meine Adern. Die Luft ist rein und frisch wie der Kuß eines Kindes; die Sonne hell, der Himmel blau – was kann ich noch mehr wünschen? Warum sollte man sich durch Leidenschaften, Wünsche oder Bedauern aufregen lassen? ... Allein, es ist Zeit, daß ich mich nach der Elisabethquelle begebe; dort soll sich früh morgens die ganze Badegesellschaft versammeln.
     
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    Als ich den Mittelpunkt der Stadt erreicht hatte, ging ich über den Boulevard, wo ich einigen Gruppen von Badegästen begegnete, die einen ziemlich trübseligen Anblick gewährten und langsamen Schrittes zum Berge hinanstiegen. Es waren zum größten Theil Gutsbesitzerfamilien aus den Steppen. Man erkennt sie als solche sofort an den abgetragenen altmodischen Ueberröcken der Männer und den geschmacklosen Toiletten der Frauen und Töchter. Offenbar kennen diese braven Leute bereits die ganze "badende" Jugend; denn sie sahen mich mit einer gewissen Neugier an; der Petersburger Schnitt meines Ueberrockes schien einen lebhaften Eindruck auf sie zu machen, aber sobald sie meine Epauletten bemerkten, wandten sie sich voll Verachtung ab.
     
    Die Frauen der hier angesessenen Familien, gewissermaßen die Patroninnen des Bades, zeigten sich gnädiger gegen mich. Sie tragen Lorgnetten und haben eine weniger starke Abneigung gegen die Uniform. Mehr als einmal haben sie hier im Kaukasus Gelegenheit gehabt, unter dem numerirten Militärknopfe ein glühendes Herz und unter der weißen Mütze einen gebildeten Kopf zu finden. Diese Damen sind sehr anmuthig, und sie bleiben es lange Zeit! Alljährlich wechseln sie ihre Anbeter, und darin besteht vielleicht das Geheimniß ihrer dauerhaften Liebenswürdigkeit.
     
    Dem schmalen Pfade folgend, der nach der Elisabethquelle führt, begegnete ich einem Haufen Civil-und Militärbeamten, welche, wie ich später erfuhr, eine besondere Menschenklasse bilden unter den Leuten, die an die Kraft des Wassers glauben. Sie trinken, aber kein Wasser; sie gehen wenig spazieren und beschäftigen sich mit den Frauen nur so nebenbei, sie spielen und beklagen sich über Langeweile. Trotzdem spielen sie doch gern den Stutzer: Wenn sie ihr Glas in die Schwefelquelle tauchen, nehmen sie eine akademische Haltung an. Die, welche dem Civildienste angehören, tragen hellblaue Cravatten; die Militärs lassen gern ihre Halskrause über den Uniformskragen hervorblicken. Die Einen wie die Andern tragen eine tiefe Verachtung gegen die Damen in der Provinz zur Schau und seufzen nach den aristokratischen Salons der Hauptstadt, in welchen sie niemals Zutritt haben.
     
    Da bin ich endlich an der Quelle ... In der Nähe derselben, auf einem freien Platze, steht ein Häuschen mit einem rothen Dach, unter welchem sich die Badewanne befindet, und etwas weiter eine Galerie, wo man bei Regenwetter spazieren geht.
     
    Auf einer Bank saßen einige verwundete Offiziere, die Krücken

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