Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Held unserer Zeit

Ein Held unserer Zeit

Titel: Ein Held unserer Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Lermontow
Vom Netzwerk:
Zeit mit ihren Rufen das Schweigen der Nacht.
     
    Aber bei einem der Häuser des Dorfes, welche am Rande der Schlucht lagen, tönte ein anderer Lärm an mein Ohr. Es war eine geräuschvolle Gesellschaft, die sich zu einem Gelage eingefunden hatte. Ich näherte mich vorsichtig einem Fenster. Durch die schlechtgeschlossenen Läden konnte ich die fröhlichen Zecher sehen und ihre Unterhaltung verstehen. Sie sprachen von mir.
     
    Der Dragonerhauptmann, vom Weine erhitzt, schlug mit der Faust auf den Tisch und verlangte Aufmerksamkeit.
     
    "Meine Herren," sagte er, "das Alles ist dummes Zeug. Petschorin muß eine Lection erhalten! Diese Petersburger Stutzer bilden sich Gott weiß was ein, bis man ihnen den Kopf zurechtsetzt. Er glaubt die Welt besser zu kennen, als alle anderen Menschen, weil er Lackstiefel und gelbe Handschuhe trägt. Und dieses unverschämte Lächeln! Und doch bin ich überzeugt, daß er eine Memme ist – ja, ja, eine Memme."
     
    "Das ist auch meine Ansicht," sagte Gruschnitzki. "Er zieht sich gern mit einem Scherze aus der Verlegenheit. Ich habe ihm schon Dinge gesagt, daß ein Anderer mir sofort eine Kugel durch den Kopf gejagt hätte; aber Petschorin gab Allem eine lächerliche Wendung. Ich habe ihn natürlich nicht herausgefordert, denn das war seine Sache. Aber er wollte nicht."
     
    "Gruschnitzki," sagte ein Anderer, "ist nicht gut auf ihn zu sprechen, weil er ihm die kleine Fürstin vor der Nase weggeschnappt hat."
     
    "Welcher Einfall!" rief Gruschnitzki. "Es ist wahr, ich habe der Fürstin ein wenig den Hof gemacht; aber ich habe mich streng in meinen Grenzen gehalten, weil ich sie nicht heirathen will, und es nicht zu meinen Grundsätzen gehört, ein Mädchen zu compromittiren."
     
    "Ja, ich versichere Sie, er ist eine ausgemachte Memme – nämlich Petschorin, nicht Gruschnitzki, – der ist ein braver junger Mann und zudem mein intimer Freund," fuhr der Dragonerhauptmann fort. "Aber, meine Herren, ist denn Niemand hier, der bereit ist, für Petschorin in die Schranken zu treten? Niemand? Um so besser! Wir wollen seinen Muth auf die Probe stellen! Das wird uns amüsiren ..."
     
    "Sehr schön; aber wie?"
     
    "Hören Sie! Gruschnitzki hat am meisten Grund auf ihn böse zu sein – ihm gebührt daher die erste Rolle! Er wird also den ersten besten Vorwand nehmen, um Petschorin zum Duell herauszufordern ... Hören Sie! Nun kommt der Spaß ... Das Duell ist angenommen – schön! Alles, was vorhergeht – Anordnungen, Verabredungen u.s.w. – wird in möglichst feierlicher und schrecklicher Weise abgemacht, – das nehme ich auf mich; ich werde dein Secundant sein, mein armer Freund! Schön! Aber nun kommt die Finesse: Wir thun keine Kugeln in die Pistolen. Ich bürge Ihnen dafür, Petschorin wird Angst haben! Ich stelle die Gegner sechs Schritte von einander auf, hol' mich der Teufel! Einverstanden, meine Herren?"
     
    "Ausgezeichnet! Einverstanden! Warum nicht?" ertönte es von allen Seiten.
     
    "Und du, Gruschnitzki?" Ich erwartete bebend Gruschnitzki's Antwort. Ein kalter Schauder überlief mich bei dem Gedanken, daß, wenn der Zufall mich nicht hergeführt, ich ein Gegenstand der Lächerlichkeit für diese Narren hätte werden können. Hätte Gruschnitzki nicht angenommen, ich würde ihm um den Hals gefallen sein. Aber nach kurzem Schweigen stand er auf, reichte dem Hauptmann die Hand und sagte in sehr feierlichem Ton:
     
    "Gut, ich bin einverstanden."
     
    Es ist schwer, die Begeisterung zu beschreiben, in welche bei diesen Worten die ganze ehrenwerthe Gesellschaft ausbrach.
     
    Von zwei einander widersprechenden Empfindungen aufgeregt, kehrte ich nach Hause zurück. Das eine Gefühl war das der Traurigkeit: Warum hassen mich alle diese Menschen, dachte ich – ja, warum? Habe ich einen von ihnen beleidigt? Nein. Oder sollte ich zu jenen Leuten gehören, deren bloßer Anblick schon Widerwillen einflößt? ... Und während ich so grübelte, mußte ich mir eingestehen, daß das Gift der Bosheit nach und nach meine ganze Seele ergriffen hat. Nehmen Sie sich in Acht, Herr Gruschnitzki! sagte ich vor mich hin, während ich in meinem Zimmer auf-und niederschritt. Ich werde die Sache nicht als einen Scherz behandeln. Der Beifall Ihrer albernen Kameraden könnte Sie theuer zu stehen kommen. Ich werde mich nicht zu Ihrem Spielzeug hergeben!
     
    Die ganze Nacht habe ich nicht geschlafen. Am andern Morgen war ich gelb wie eine Pomeranze.
     
    In den Morgenstunden begegnete ich an der

Weitere Kostenlose Bücher