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Ein Herz bricht selten allein

Ein Herz bricht selten allein

Titel: Ein Herz bricht selten allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gitta von Cetto
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und
drängten sich die Menschen, Frauen, die mit ihren schwarzen Kopftüchern und
Wollröcken aus den Bergnestern und Gehöften gekommen waren, um einen
Aluminiumtopf zu erstehen, hauptsächlich aber, um zu schauen und die Wolljacken
und Hemden und Kunstseidenstoffe mit ihren aufgesprungenen Fingern zu befühlen.
Die Ausländer, die auf preiswerte Schuhe oder Keramiken oder anderen Krimskrams
Jagd machten, radebrechten in allen Sprachen. Man wühlte, man feilschte, ließ
die Anpreisungen der Budenbesitzer über sich ergehen, man lachte, schwitzte und
sah sehnsüchtig seinem Campari oder seinem Glas Pilsner entgegen, was man
nachher auf der überschatteten Straße vor dem >Café Roma< einnehmen
würde.
    Anna erstand für Poldi drei
blaue Leinenhemden, ein halbes Dutzend Unterhosen und ein Paar Stoffschuhe. Für
Bettina kaufte sie einen dunkelgrünen Strohhut und eine dazu passende
Basttasche.
     
    Bettina erwachte spät und mit
Kopfschmerzen. Der Platz vor ihrem Bett, wo ihr Bruder gelegen hatte, war leer.
Die Tür zum Nebenzimmer stand offen.
    Ob Mama schon wach war? Sicher
war sie längst auf, hatte fünf Seiten geschrieben, ihr Zimmer gefegt, Kleider
gewaschen, etwas an ihrem Auto repariert und irgendwelche anderen Dinge
erledigt, Bäume ausgerissen oder ähnliches. Sie war einfach gräßlich tüchtig.
Aber ihrer niedergebrochenen Tochter ein Frühstück ans Bett zu servieren, daran
hatte sie nicht gedacht. Typisch Mama. Kinder durfte man nicht verweichlichen.
Eine harte, selbständige Generation sollte heranwachsen. Die Vorstellung des
ans Bett gebrachten Frühstücks ließ Bettina nicht mehr los. Hinterher würde sie
mit Anna in aller Gemütsruhe ihre Morgenzigarette rauchen und über ihre
Probleme sprechen. Problem Nummer eins war Bibi.
    »Mama!« Als keine Antwort kam,
rief sie noch einmal, und diesmal schon mit Ungeduld in der Stimme. »Mama!«
Aber lediglich das Gebrumm einer großen Fliege, die im Nebenzimmer ihre Runden
drehte, tönte herüber. Bettina entschloß sich stöhnend zu einem Erkundungsgang.
    Sie fand Annas Zimmer leer, das
Bett gemacht, die Kochnische tadellos aufgeräumt. Auf dem Tisch hatte Anna
einen Zettel hinterlassen. »Guten Morgen, liebe Kinder!« Bettina
verzog das Gesicht. Das klang nach >Morgenstund’ hat Gold im Mund<. Sie
las weiter: »Ich bin mit Nancy zum Markt nach Portoferraio gefahren. Macht
Euch Frühstück. Ihr findet alles in dem Hänger mit dem Fliegengitter neben dem
Gasherd .« Bet tina begab sich auf die Suche. >Alles< bestand
aus einer Dose Pulverkaffee, einer Tube Milch, Brombeermarmelade, einigen
Scheiben Salami, einem in Ölpapier eingewickelten Stück Bel Paese, Brot und
Butter. Das Weißbrot war von gestern und fühlte sich an wie Schaumgummi, und
die Butter war weich wie Hautcreme. Wie konnte man nur ohne elektrischen Strom
und Kühlschrank leben!
    Bettina hielt Ausschau nach
ihrem Bruder, aber sie konnte ihn unter den paar Leuten an dem kleinen
Kieselstrand, den sie vom Bungalow aus sehen konnte, nicht entdecken. Sie
bereitete sich eine Tasse Kaffee, trank ihn heiß und schwarz mit viel Zucker im
Stehen und nahm die zweite Tasse mit in ihre Kammer, wo sie sich erschöpft aufs
Bett sinken ließ. Unter Gähnen kam die Erinnerung an Poldis Fund wieder zurück.
Irgendwas mußte mit dem Geld, das ihr nicht gehörte, geschehen.
    Aber es war bereits etwas
geschehen. Als sie die Scheine an sich nehmen wollte, waren sie aus ihrem
Koffer verschwunden. Bettina durchwühlte all ihre Sachen, schüttelte jedes
Stück einzeln aus und warf es hinter sich aufs Bett. Aber das Geld blieb
unauffindbar. Blitzartig kam ihr die Erkenntnis, daß Poldi sich mit dem Geld
aus dem Staub gemacht hatte. Hatte er nicht in der Nacht schon eine Andeutung
von halbe-halbe gemacht?
    Als Anna vergnügt von ihrer
Einkaufstour zurückkehrte, stand Bettina unter der Tür und blickte ihr,
geschützt durch eine dunkle Brille mit untertassengroßen Gläsern, entgegen. Sie
trug einen schwarzen Bikini und sah reizend aus.
    »Hallo, Bettina!« rief Anna
freudig.
    »Endlich! Ich habe auf dich
gewartet.«
    Alarmstimmung! Anna hörte es
sofort aus Bettinas Tonfall. Ihre Stimmung sank. »Ist was los?«
    »Allerdings.« Bettina warf die
Arme um Anna. »Es ist eine richtige Katastrophe. Er ist durchgebrannt mitsamt
der Million«, schluchzte sie. »Es war ein richtiger Gaunertrick. Erst hat er alles
aus mir herausgelockt, und dann ist er auf und davon.«
    »Wer? Was für eine Million?
Bitte, fang mal von vorn an

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