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Ein Herz bricht selten allein

Ein Herz bricht selten allein

Titel: Ein Herz bricht selten allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gitta von Cetto
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den
schmal gewordenen Augen und Schmelz in der Stimme, sagte: »Später, Mutter.
Vielleicht besuchst du uns mal, wenn ich Bernhard dazu bewegen kann, seinen
derzeitigen Betthupfer zu entlassen. Ich weiß nicht, ob er dir erzählt hat, daß
er gewechselt hat.«
    »Gewechselt? Was gewechselt?«
An Frau Hallers zutiefst verwirrtem Gesicht erkannte Bettina, daß sie über die
Intimsphäre ihres Sohnes nicht im Bild war. Sie holte ohne eine weitere
Erklärung Bibis Koffer aus einem Schrank in der Diele und stellte ihn neben
Bettina auf den Boden.
     
    Kurz vor Ladenschluß erreichte
Bettina ihre Straße. Sie ließ das Taxi bei dem Delikatessenladen halten und
kaufte so viel ein, als müsse sie eine zwölfköpfige Familie vor dem Hungertod
retten. Während sie die Tragtüten zum Taxi schleppte, schickte sie einen
freundlichen Gedankengruß an den Spender dieser Herrlichkeiten. Aber haben Sie
keine Angst, Herr Seggelin, jetzt ist wieder Bernhard dran, für uns zu sorgen.
    Bibi rannte durch die Räume wie
ein Wirbelwind. Sie war außer Rand und Band vor Freude, sie jubelte, fegte im
Vorbeigehen Bettinas leeres Sektglas vom Tisch, hopste auf der Couch auf und
ab, was nur an Sonn- und Feiertagen erlaubt war, und zog hinter einem Kissen
ein Spitzentaschentuch hervor. Sie warf es in die Luft und fing es wieder auf,
aber Bettina nahm es ihr aus der Hand und sagte, es sei unappetitlich.
    »Wieso denn? Es riecht doch so
gut.«
    »Es ist unappetitlich und damit
basta.« Das lila Spitzentaschentuch gehörte zweifellos zu Julias modischen
Requisiten. Bettina nahm es zwischen Daumen und Zeigefinger und ließ es in den
Papierkorb fallen.
    Sie nahm mit Bibi ein
fürstliches Mahl ein, badete sie, schnitt ihr die Zehennägel, las an ihrem Bett
noch fünf Seiten von >Pu, der Bär< vor und gab ihr zahllose
Gutenachtküsse, ehe sie sich von ihr trennte. Dann ging sie daran, in der Küche
mit Putzeimer und Spülmittel Ordnung zu schaffen. Als sie sich müdegearbeitet
hatte, bereitete sie sich ihr Nachtlager auf der Couch im Wohnzimmer. Im
Dunkeln liegend versuchte sie eine Patentlösung für das ganze Dilemma
einschließlich ihrer eigenen Unzulänglichkeiten zu finden. Wie stand sie zu
Bernhard? Sie stocherte in ihren erloschenen Gefühlen herum in der Hoffnung,
noch etwas Glut zu finden, die man wieder entfachen konnte. Aber viel war nicht
mehr da.
    Bernhard kam um zwei Uhr
morgens nach Hause. Geräuschvoll. Er knipste im Wohnzimmer das Licht an und
blieb vor Bettina stehen. Bettina stellte sich schlafend, aber das beeindruckte
ihn wenig.
    »Guten Abend«, sagte er etwas
zu laut und zu fröhlich wie ein Radioansager vor einem Sportbericht.
    »Guten Abend.«
    Er hatte leicht gerötete Augen.
Er mußte ziemlich viel getrunken haben.
    »Was ist denn das nun wieder
für eine Masche? Warum liegst du denn nicht im Bett?« sagte er.
    »In welchem?«
    »Na, in deinem.«
    »Laß uns doch bitte erst morgen
über alles sprechen, wenn ich eine Nacht darüber geschlafen habe und du
nüchtern bist.«
    »Ich bin nüchtern, nüchterner,
als du denkst«, schrie Bernhard, schwankte und fand, mit der Hand rückwärts
tastend, an der Lehne eines Sessels Halt.
    »Sprich bitte leiser, du weckst
sonst das Kind.«
    »Das Kind? Was für ein Kind
denn?«
    »Was für ein Kind wird’s wohl
sein? Unseres natürlich. Ich habe Bibi heimgeholt.«
    »Das hättest du nicht tun
sollen. Unser Engelchen soll nicht in den ganzen Schmutz mit hineingezogen
werden«, sagte Bernhard weinerlich, dann sackte er im Zeitlupentempo vornüber.
    Aber Bettina sprang
geistesgegenwärtig von der Couch hoch und fing ihn auf. Sie schob ihn zur Couch
hin, wo er sich niederplumpsen ließ. Dann drückte sie seine Schultern auf das
Kopfkissen und zog ihm die Schuhe aus.
    »So ist’s besser, ich mache dir
jetzt eine Tasse Kaffee«, sagte sie und ging in die Küche.
    »Diese Krankenschwesterallüren,
dieses gütige Getue. Ich mag keinen Kaffee, ich bin nicht betrunken«, schimpfte
er verdrießlich hinter ihr her. Sie hörte ihn weiter jammern, während sie den
elektrischen Kocher einschaltete, den Kaffee mahlte und in den Filter gab, und
als sie mit dem Tablett zu ihm an die Couch trat, war er immer noch nicht
fertig mit seinen Tiraden. »Ich liebe die süße kleine Julia, jawohl, das gebe
ich zu, aber deshalb braucht man mich doch nicht wie einen tollen Hund
abzuschießen«, lamentierte er.
    Bettina hielt ihm die Tasse an
die Lippen. »Niemand schießt dich ab. Trink!«
    Er nahm gehorsam einige

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