Ein Herz bricht selten allein
Schluck
Kaffee und schaute Bettina groß an. »Der schmeckt so bitter. Ist da auch kein
Arsen drin?« Er nahm noch mal einen Schluck und hörte nicht auf, Bettina
argwöhnisch zu mustern.
»Schluck ‘runter«, sagte sie
beinahe liebevoll. »Glaubst du, ich vergifte dich jetzt, wo du endlich dicke
Gelder verdienst?«
»Du, zwölf Mille auf die Hand«,
kicherte Bernhard. »Und für die zweite Serie noch mal soviel. Mit Kunst hat das
nichts zu tun, aber Köpfchen. Verstehst du, Köpfchen! Ich pfeif auf die Kunst!«
Er richtete sich auf und fuchtelte wild mit den Armen.
Bettina trichterte ihm den Rest
des Kaffees ein und versuchte, ihn dazu zu bewegen, in sein Bett zu gehen. Aber
Bernhard weigerte sich strikt. Er war mit seiner Schimpferei nun bei Lisa
angelangt, von der er behauptete, sie habe ihm ein paar Manschettenknöpfe
gestohlen. Dann schloß er ganz plötzlich die Augen, das Kinn fiel ihm herunter,
und aus dem offengebliebenen Mund kamen tiefe Schnarchtöne. Bettina betrachtete
ihn nüchtern. Alles wäre nicht so schlimm, wenn sie ihn nur liebte. Dann könnte
er zehnmal so laut schnarchen und den Mund doppelt so weit aufsperren, aber,
kritisch betrachtet, lag dort eben nur ein ziemlich langer, töricht aussehender
Besoffener. Es blieb ihr nichts anderes übrig, als ihr Lager nun doch im
Schlafzimmer zu beziehen. Sie brauchte ihren Schlaf, um fit für den morgigen
Kampf zu sein.
Bibi lag noch in tiefem Schlaf,
und Bettina räkelte sich wohlig, als sie Bernhard schon im Bad rumoren hörte.
Er stand unter der Brause, schnaubte und stöhnte eindrucksvoll. Dann putzte er
sich geräuschvoll die Zähne, und kurz darauf erschien er in seinem weinroten
Morgenrock bei Bettina.
»Guten Morgen, Bettina. Ich
möchte gern eine Erklärung abgeben«, sagte er. »Verzeih, wenn ich heute nacht
vielleicht nicht ganz den richtigen Ton gefunden habe. Ich war etwas
übermüdet.« Bettina nickte ihm Absolution zu und setzte sich im Bett auf.
Bernhard hatte sich nüchterngebraust, das sah man auf den ersten Blick. »Ich
habe über alles nachgedacht. Wir wollen einander nichts vormachen, Bettina.«
»Nein.«
»Wie der Fall nun einmal liegt,
halte ich es für das beste, wir trennen uns in Frieden. Eine anständige,
vernünftige Trennung, verstehst du. Damit wäre beiden gedient.«
»Mir nicht«, wandte Bettina
ein.
Er warf Bettina einen
zurechtweisenden Blick zu, weil sie ihn aus dem Konzept gebracht hatte. Auf
seinem Programm stand ein Monolog und kein Zwiegespräch. »Also, wie gesagt,
eine rasche und reibungslose Scheidung, über deren Formalitäten wir uns sicher
einig werden können.«
»Sicher nicht.«
»Ich weiß nicht, was du mit
deiner Taktik, mich dauernd zu unterbrechen, erreichen willst«, sagte er
schulmeisterlich. »Ich gebe zu, es war eine Schwäche von mir, mich mit Lisa
einzulassen. Ich bin ihr einfach ins Garn gegangen. Sie ist oberflächlich und
auf ihren Vorteil bedacht. Keine inneren Werte, verstehst du?« Bettina nickte
wie eine artige Schülerin. »Aber dieser Umweg war vielleicht nötig, geradezu
vorbestimmt«, fuhr er mit erhobener Stimme fort, »um mein großes Glück zu
finden.« Wieder nickte Bettina, obwohl sich gerade hier eine Zwischenbemerkung
angeboten hätte.
Endlich hatte er seinen Vortrag
beendet. Er ließ sich in einen Sessel in der äußersten Ecke des Schlafzimmers
sinken und blickte erwartungsvoll zu Bettina hinüber.
»Wenn ich es kurz
zusammenfassen darf, möchtest du, daß ich hier das Feld für meine Nachfolgerin
räume.« Sie kuschelte sich, Rückhalt suchend, enger an das Kopfkissen. »Nein,
wir bleiben«, sagte sie. »Bibi und ich. Ich habe mir nun mal in den Kopf
gesetzt, unsere kleine Familie zu retten.«
»Ich bitte dich, Bettina, du
hast dir doch immer so viel darauf eingebildet, eine moderne Frau zu sein.«
»Ich bleibe, Bernhard«, sagte
Bettina unbeirrt. »Ich habe bestimmt auch meine Fehler gemacht, aber ich habe
daraus gelernt. Ich bleibe hier.«
»Das wird dir sehr wenig Spaß
machen, sehr wenig«, erklärte er drohend.
In diesem Augenblick erschien
Bibi in ihrem Schlafanzug mit den grünen und blauen Hanswursten. Sie gähnte und
taumelte schlaftrunken zu Bettina ins Bett. Sie äugte zu ihrem düster
dreinblickenden Vater.
Bernhard, der immer noch in
seinem Sessel saß, raffte sich auf. Er ging mit vornüber gebeugten Schultern
ins Bad, ein leidgeprüfter Mann. In einem Anflug von Mitleid rief ihm Bettina
nach: »Wir kriegen die Sache schon hin, Bernhard.«
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