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Ein Herz bricht selten allein

Ein Herz bricht selten allein

Titel: Ein Herz bricht selten allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gitta von Cetto
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müde, um den Kampf mit dem Ungeziefer aufzunehmen. Er stopfte
sein Unterzeug und seine Kleidung in den Seesack und band diesen mit einer
Schnur an der von der Decke baumelnden elektrischen Leitung fest. Dann legte er
sich unbekleidet ins Bett und schlief augenblicklich ein.
    Als er erwachte, war es erst
sechs Uhr morgens, aber die Wanzen hatten während ihrer Nachtschicht gut
gearbeitet. Sie hatten eine Straße von Stichen quer über seine Stirn gezogen.
    Poldi schulterte seinen
Seesack, nahm ein Frühstück in einem Drugstore ein und ließ sich bei einem
Friseur rasieren. Dann begab er sich in ein Warenhaus und kaufte sich einen
grauen Anzug von der Stange, dazu ein weißes Hemd und eine dunkelrote Krawatte.
Auch einen Hut schaffte er sich an. Poldi erinnerte sich nicht daran, außer
einem grünen Tirolerhut, den seine Mutter ihm anläßlich eines
Ferienaufenthaltes in Innsbruck aufgedrängt hatte, je einen Hut auf seinem Kopf
gespürt zu haben. Er probierte ein Dutzend Hüte auf, aber der junge Mann, der
ihm aus dem Spiegel entgegenblickte, sah beim zwölften genauso dämlich aus wie
beim ersten. Schließlich ergriff er den nächstbesten, bezahlte ihn und stülpte
ihn ärgerlich auf.
    Punkt zehn Uhr betrat er Frank
Kohlmannspergers Büro, eine ganze Reihe mehr oder weniger plausibler
Erklärungen auf der Zunge. Ich bin gerade zufällig in New York, und da dachte
ich... Aber Frank ersparte ihm dieses Gestammel. Er sagte einfach: »Oh, hallo,
Poldi! Nett, daß du uns besuchst. Hast du deine Mutter mitgebracht?«
    Poldi, den albernen Hut in der
Hand, trat näher. »Nein. Mama weiß überhaupt nicht, daß ich in Amerika bin.«
    »So?« Franks Augen überprüften
Poldis Erscheinung und blieben unangenehm lange auf den roten Pünktchen auf
Poldis Stirn haften. »Wieso weiß sie es nicht? Setz dich doch.«
    Poldi hielt Ausschau nach einer
Möglichkeit, seinen Hut loszuwerden. Schließlich legte er ihn einfach neben
sich auf den Boden. »Ich dachte, ich sehe erst mal zu, wie sich die Sache
anläßt.«
    »Welche Sache? Ach so, die mit
Nancy«, sagte Frank unverblümt. Er wußte Bescheid, und Poldi fand das auch in
Ordnung. »Na, ich möchte nicht in deiner Haut stecken, Nancy ist ein harter
Brocken«, fuhr er fort.
    Frank hielt sich nicht lange
bei der Vorrede auf, er ging die Dinge frontal an. Poldi bewunderte ihn.
Gleichzeitig war er sich auch Franks Sympathie sicher.
    »Ich habe mich auf einem
Frachter ‘rübergearbeitet«, berichtete Poldi.
    »Ich kann mir denken, daß du
nicht mit einem Sonderflugzeug gekommen bist. Aber Anna hättest du es trotzdem
sagen können. Was hast du eigentlich gegen sie?«
    »Nur das eine: daß sie meine
Mutter ist. Ich kann dir gar nicht sagen, welche Klippen das sind für einen
Jungen: nur mit einer Mutter aufzuwachsen. Es kommt kein vernünftiger Ton
zustande, verstehst du. Ich kann dir das vielleicht nur an Beispielen erklären.
Wenn ich mit ihr durch den Schnee stapfe und mich mit dem Nihilismus und
Nietzsche auseinandersetze, und sie unterbricht mich mit der Frage, warum ich
eigentlich bei der Kälte keine langen Unterhosen anziehe, so trifft mich das
wie ein Keulenhieb. Oder sie schickt mir eine Broschüre >Wie mache ich
meinen Weg?< und hört nicht auf, mir von Gleichaltrigen vorzuschwärmen, die
bereits ein Hochhaus oder einen tollen Namen, zum mindesten aber ein liebes
Frauchen, zwei Kinder, eine Lebensversicherung, einen Bausparbrief und einen
Dackel besitzen. So was passiert dir eben nur bei einer Mutter, und da reagiert
man sauer.« Er blickte Frank ins Gesicht. »Ich hätte einen Vater gebraucht,
verstehst du, einen wie dich.«
    Frank lehnte sich behaglich
zurück in seinen Stuhl. »Unter Umständen kannst du das ja haben. Ich weiß zwar
von meiner Tochter sicher weniger als du, aber das eine scheint ziemlich sicher
zu sein: Sie ist verliebt in dich. Habe ich recht?«
    Poldi zuckte die Schultern.
»Darüber haben wir nicht gesprochen.«
    Frank schlug mit der Faust auf
den Schreibtisch und beugte sich weit vor. »Ja, worüber denn sonst? Erzähl mir
doch nicht, daß du mit Nancy nur über Nietzsche gesprochen hast.« Er war
ehrlich zornig, und Poldi fürchtete schon, nun folge der Rausschmiß. Aber da
lenkte Frank mit einem Seufzer ein: »Ja, ich weiß schon, Liebe als Thema ist
verpönt, vor allen Dingen auch das verdächtige Wort. Aber nun mal in eurer
Sprache: du stehst auf Nancy, und Nancy steht auf dich, wenn ich mich nicht
irre.«
    Poldi hielt den Blick starr auf
seinen

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