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Ein Herz bricht selten allein

Ein Herz bricht selten allein

Titel: Ein Herz bricht selten allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gitta von Cetto
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fand es auch.
Mit sicherem Griff zog sie es aus dem oberen Fach des Apothekenschränkchens.
    »Bitte, Mama!« sagte Bettina
ärgerlich, als Anna mit dem Thermometer zurückkam.
    Aber Anna kannte keinen Pardon.
Bettina war jetzt wieder ein kleines, unvernünftiges Mädchen, das mit ein paar
energischen Handgriffen und notfalls mit einem Klaps auf den Popo zur Ordnung
gerufen werden mußte. Zunächst nahm Anna den Löffel von ihrer Teetasse und
befahl: »Mach den Mund auf und sag Aah.« Aber sie konnte in Bettinas Hals nicht
die geringste Rötung entdecken. »So, und nun miß dich. Nein, nicht unter der
Achsel, leg dich auf die Couch. Ich bleibe neben dir stehen. Ich will’s genau
wissen.«
    »Und deshalb bist du bei diesem
elenden Wetter von Berlin hierher gefahren«, stöhnte Bettina. Aber sie
gehorchte.
    Das Thermometer zeigte 38,3
Grad. Bettina lachte schadenfroh. »Das hätte ich dir vorher sagen können.«
    »Was?«
    »Daß ich kein Fieber habe.«
    »Immerhin hast du 38,3.«
    »Das ist meine normale
Temperatur am Abend. Das habe ich immer.«
    Anna schickte ein Dankgebet zum
Himmel, in jene Abteilung, aus der die plötzlichen Eingebungen für Mütter
kommen. Es war ihr jetzt so klar, warum sie zehn Stunden auf der vereisten
Autobahn herumgerutscht war. Ein gütiger Engel hatte sie bei der Hand genommen
und kommandiert: >Anna, pack deine Schreibmaschine weg und fahr hin zu
deiner Tochter, die macht da nämlich ziemlichen Murks mit ihrem Leben.<
    Am nächsten Morgen um zehn Uhr
betrat Anna mit Bettina das Sprechzimmer von Dr. Pramberger. Sie kannte ihn als
gewissenhaften Arzt und hervorragenden Diagnostiker. Eine halbe Stunde später
landeten die beiden in einem Röntgeninstitut, und nach einer weiteren halben
Stunde kehrten sie mit den Aufnahmen und einem geschlossenen Umschlag zu Dr.
Pramberger zurück, und dann wurde gar nicht mehr lange darum herumgeredet.
Bettina hatte etwas auf der Lunge.
    Anna starrte Dr. Pramberger an,
als ob er ein Todesurteil verkündet hatte. Das Wort Tuberkulose, fünfsilbig und
graueneinflößend, stand wie ein riesiges Gespenst vor ihr. Dr. Pramberger
redete begütigend auf sie ein, er erzählte vom Primäraffekt, den fast jeder
Mensch mitmache und meistens ohne Nachwirkungen überstand. Auch das
Sekundärstadium sei ja heutzutage keine Geißel der Menschheit mehr... Notfalls
hervorragende Chirurgie... es könne Ansteckung sein, aber auch... Habe Bettina
vielleicht irgendeinen Kummer...
    Anna hörte eine Ansammlung von
Wörtern, aber sie kamen nur auf ihrem Trommelfell an, nicht im Gehirn.
Äußerlich faßte sie sich wieder, arrangierte ein zuversichtliches Lächeln auf
ihren Lippen und wagte, Bettina ins Gesicht zu sehen. Diese stand dabei, als
gehe sie die ganze Sache gar nichts an. Dr. Pramberger tätschelte Bettinas sehr
schmale Hände. »Das kriegen wir schon hin, machen Sie sich nur keine Sorgen«,
sagte er.
    Bettina holte ihre Zigaretten
aus der Tasche und warf den hübschen Kopf mit der neuen, kühnen Frisur zurück.
»Ich mache mir bestimmt keine Sorgen. Es kümmert mich überhaupt nicht.«
    Dr. Pramberger, ein noch junger
Arzt, warf Anna, der es in den Fingerspitzen zuckte, Bettina die Zigarette aus
der Hand zu nehmen, einen beschwörenden Blick zu. Er ließ Bettina in aller Ruhe
ihre Zigarette anstecken und meinte dann: »Ich will nicht gerade sagen, daß es
die letzte ist oder die vorletzte, aber bestimmt für eine Weile eine der
letzten. Vielleicht können Sie sich ein anderes Hobby einfallen lassen. Es gibt
doch heutzutage eine ziemliche Auswahl.«
    Dann stattete er sie abermals
mit einem Brief aus und schickte Mutter und Tochter zu einem Kollegen, der
Lungenspezialist war.
     
    Das bewußte Frühstück mit
Bernhard, der bis dahin keine Ahnung von der Anwesenheit seiner Schwiegermutter
hatte, fand an einem Donnerstag statt.
    »Er ist heute mal wieder
besonders nachdenklich, nachdenklich mit Gänsefüßchen«, berichtete Bettina, als
sie Anna die Tür öffnete. Es war acht Uhr morgens.
    Anna betrat das Zimmer hinter
ihrer Tochter. Aber auch wenn sie als erste einmarschiert wäre, hätte ihr
Auftritt keine Beachtung gefunden. Da saß er, ein gutaussehender Mann, und las
die Morgenzeitung. Ohne aufzublicken.
    »Guten Morgen, Bernhard«, sagte
Anna so ungezwungen wie nur möglich. Ihre zum Gruß hingehaltene Hand verdeckte
einen Teil des Leitartikels, den er gerade las.
    Bernhard blickte auf, sein
anfangs gespanntes Gesicht fiel in seine Einzelteile auseinander, und nun

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