Ein Herzschlag bis zum Tod
ich die Kartenverkäuferin an, die jünger und freundlicher als ihre Kollegin in Vermont war.
»Ich suche nach diesen Männern. Sie sind mit dem Jungen meiner Schwester abgehauen. Sie haben in der ersten Woche des Fährbetriebs am späten Nachmittag das Boot von Burlington aus genommen. Ich wüsste gern, ob Sie sie gesehen haben.«
Sie betrachtete das Bild. »Mmm, lässt sich schwer sagen. Nein, tut mir leid.« Als ich mich zum Gehen wandte, rief sie mir nach: »Ich hoffe, Sie finden die Schweine!« Ich bedankte mich und ging wieder an Bord.
Jimmy nahm meine Karte entgegen. »Sie schon wieder?«, fragt er augenzwinkernd.
Es war ein seltsames Gefühl, eine Stunde auf der Fähre nach New York zu verbringen und gleich wieder zurückzufahren. Ich setzte mich aufs Deck, lehnte mich gegen die Reling und genoss den Wind im Gesicht. Ich versuchte, nicht an meine letzte Fahrt nach Burlington zu denken. Da kam ein junger Arbeiter mit dunkelrotem Haar auf mich zu.
»Hallo, ich hatte vermutlich Dienst an dem Tag. Soll ich mir das Plakat mal ansehen?«
Ich holte ein neues Exemplar aus meinem Rucksack und gab es ihm. Er betrachtete es und schüttelte den Kopf. »Kann mich nicht erinnern. Aber das war eine der ersten Fahrten im Jahr, und ich glaube, Dwight war in meiner Schicht. Wenn sich jemand an sie erinnert, dann er. Er hat ein unglaubliches Gedächtnis für Leute und Autos.«
Meine Laune besserte sich. »Dwight?«
»Er ist heute nicht da, aber morgen wieder. Ich sage ihm Bescheid, |278| wenn ich ihn morgen früh sehe. Könnten Sie noch mal vorbeikommen?«
»Natürlich!«
»Sie müssen nur darauf achten, dass Sie die richtige Fähre nehmen, der Name steht ja dran.« Er rasselte die Abfahrtszeiten herunter. Ich notierte mir alles. Wenn ich eine Fähre verpasste, müsste ich zwei Stunden warten.
Erstaunlicherweise war ich völlig erschöpft, obwohl ich nur sechs Häuserblocks geradelt war und zwei Stunden auf einer Fähre verbracht hatte. Ich strampelte den Hügel hinauf und wünschte mir mehr Gänge oder ein leichteres Rad.
Ich schnitt Äpfel klein, die ich mit Streuseln aus Haferflocken, Zimt und Butter mischte und in den Ofen schob. Dann dünstete ich grüne Paprika und Blumenkohl, kochte Nudeln und gab Fertigsoße aus dem Glas hinzu.
Thomas schnüffelte anerkennend, als er nach Hause kam. »Äpfel?«
»Ja, ich habe mit den alten Granny Smiths aus dem Kühlschrank einen Apple Crisp gemacht.«
Seltsamerweise war es angenehm, mit ihm zu essen, wie unter alten Freunden. Es schien eine Ewigkeit her, dass ich mit Thomas zusammen gewesen war. Damals war ich ein anderer Mensch gewesen.
Er erinnerte mich an das Abendessen bei den Thibaults, das am folgenden Abend anstand, und sagte, er wolle um zehn nach sechs losfahren. Sicher wären wir die Ersten, aber es waren ja seine Freunde. Ich wünschte, ich könnte mich drücken, weil es mir peinlich war und vermutlich auch reine Zeitverschwendung. Andererseits wollte ich Thomas nicht hängen lassen. Und vielleicht tat es mir auch gut, unter Menschen zu kommen.
Ich legte mich auf meinen Futon und telefonierte erst mit Paul und dann mit Philippe. Wir redeten über Paul, Elise, das Wetter und so weiter, nur nicht über das, was ich in Burlington |279| machte. Die Computerfirma hatte ein umfassendes Backup- und Sicherheitssystem eingerichtet, und die Buchprüfer hatten eine ganze Reihe von Abweichungen aufgedeckt, bei denen Beträge geändert worden waren, um höhere Kosten auszuweisen, als tatsächlich entstanden waren. Irgendjemand in der Firma hatte Geld unterschlagen.
Ich tippte instinktiv auf Claude, doch es wäre dumm von ihm gewesen, den Ast abzusägen, auf dem er saß. Vermutlich war er vieles, aber nicht dumm.
Als ich am nächsten Morgen zur Fähre radelte, war die Luft angenehm frisch, und ich kaufte unterwegs in einer Bäckerei ein paar leckere Teilchen. Dann besorgte ich mir wieder eine Rückfahrkarte, prüfte den Namen des Schiffes und ging an Bord.
Jimmy musste mich beschrieben haben, denn nach zehn Minuten kam Dwight zu mir herüber. Er war ein großer Typ, älter als Jimmy und dessen rothaariger Freund. Sein zerzaustes braunes Haar stand in alle Richtungen ab, und er hatte einen kräftigen Hals und ausgeprägte Aknenarben. Jimmy hatte ihm das Plakat gegeben. Er deutete auf die Gesichter. »Ja, ich erinnere mich an die Typen. Sie fuhren einen Van, einen älteren Plymouth Grand Voyager, vielleicht Baujahr 96 oder 97. Dunkelgrün, glaube ich.«
Meine
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