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Ein Herzschlag bis zum Tod

Ein Herzschlag bis zum Tod

Titel: Ein Herzschlag bis zum Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara J. Henry
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verschiedene weitere Kombinationen ein. Ich fand eine deprimierende Geschichte aus dem Jahre |35| 2006, als eine Mutter ihren achtjährigen Sohn nahe der kanadischen Grenze im Lake Champlain ertränkt hatte, doch das war alles. Die Zeitung aus Burlington hatte nichts zu bieten, aber ich schrieb vorsichtshalber hin und erkundigte mich nach einem vermissten, Französisch sprechenden Jungen, wobei ich meine anonyme eBay-Adresse verwendete. Montreal war nur hundertfünfzig Kilometer von Burlington entfernt, daher überprüfte ich auch die dortigen Zeitungen. Nichts. Keine verzweifelten Eltern, die um die Rückgabe ihres geliebten Kindes flehten.
    Ich googelte
vermisste Kinder
und suchte auf Missing-Kids. com. Ich besuchte die Internetseite der Royal Canadian Mounted Police und gab dort Pauls Namen, Geschlecht, Augen- und Haarfarbe ein.
Suchergebnisse: null.
Dann versuchte ich es nur mit dem Geschlecht, fand aber lediglich zwei Brüder, von denen keiner Paul auch nur im Geringsten ähnlich sah.
    Ich rief die Seite der Fährgesellschaft auf, aus deren Fahrplan man ersehen konnte, dass Pauls Schiff und meins sich etwa in der Mitte des Sees hätten treffen müssen und nicht nur wenige Kilometer vom Ufer entfernt. Vielleicht war sein Schiff zu früh oder meines zu spät abgefahren – sonst hätte ich ihn niemals fallen sehen. Fünf Minuten früher oder später, und ein kleiner Junge wäre ertrunken.
    Ich hörte leise Geräusche aus dem Schlafzimmer. Als ich in die Tür trat, sah ich das leere Bett. Kein Junge, kein Hund. Einen Moment blieb mir das Herz stehen. Das Fenster stand unverändert ein Stück offen. Einen Sekundenbruchteil fragte ich mich, ob sie an mir vorbeigeschlichen waren, während ich in meine Suche vertieft war, hielt es aber für unwahrscheinlich. Junge und Hund mussten irgendwo im Zimmer sein, und es gab nur zwei Möglichkeiten: unter dem Bett oder im Wandschrank. Ich schaute zum Nachttisch. Aha   – Junge weg, Hund weg, Pizza weg.
    »Paul«, rief ich leise. »Wo bist du, Paul?
Où es-tu?
«
    |36| Tiger jaulte. Ich schob das Laken zurück, das als Schranktür diente, und entdeckte Paul, der in der Ecke kauerte, einen Arm um Tiger geschlungen, in der anderen Hand die angeknabberte Pizza. Er sah aus, als fände er es völlig normal, sich mit einem Hund und einem Stück Pizza im Schrank zu verstecken. Ich kniete mich in sicherer Entfernung hin. »Guten Morgen, Paul. Möchtest du frühstücken?
Veux-tu prendre le petit déjeuner?
«
    Er rutschte unsicher herum. Ich schnippte mit den Fingern, und Tiger kam gehorsam zu mir. »Hat dir etwas Angst gemacht?
Tu as peur?
« Keine Antwort. »Paul, Schatz, komm raus.« Ich breitete die Arme aus.
    Er schaute mich nicht an, und ich musste lange warten, bevor er sich schließlich an mich drängte. Ich spürte seinen zerbrechlichen Körper, seinen Herzschlag, spürte geradezu seine Angst, Verwirrung und Einsamkeit. Ich hätte nie gedacht, dass man so schnell, so atavistisch eine so tiefe Bindung zu einem anderen Menschen aufbauen kann. War es meinen Schwestern so gegangen, als ihre Kinder geboren wurden? Mir wurde klar, dass ich alles tun würde, um dieses Kind zu beschützen. »
Je te ne blesserai jamais
«, flüsterte ich. »Ich werde dir niemals weh tun. Niemals.«
    Und mir wurde klar, dass ich den Jungen nicht zur Polizei bringen würde. Heute nicht, und vielleicht nie.

|37| 6
    Der Junge betrachtete nachdenklich die kalte Pizza in seiner Hand, als spielte er mit dem Gedanken, sie noch zu essen. Zeit fürs Frühstück.
    Ich hatte seine Sachen nicht gewaschen, aber dann wären sie ohnehin noch nass gewesen. Also suchte ich meine engsten elastischen Sportshorts und das winzigste T-Shirt heraus und knotete ihm zwei Tücher um die Taille, damit die Hose nicht rutschte. Sie war zu weit und reichte bis zum Knie, so dass er aussah wie ein kleiner Pirat. Ich drehte ihn um, damit er sich im Spiegel an meiner Schlafzimmertür betrachten konnte. Sein Mund verzog sich zu einem Grinsen, und einen Augenblick lang sah er aus wie ein ganz normaler Junge, der sich verkleidet hat.
    Hand in Hand stiegen wir die schmale Treppe hinunter in die Küche. Die Tatsache, dass wir an einem Picknicktisch aus Plastik mit einer karierten Wachstuchdecke saßen, schien ihn nicht weiter zu stören. Er aß eine Schüssel Cheerios und sah mich mit großen Augen an – ganz das hungrige Waisenkind aus dem Musical
Oliver!
Ich kenne meinen Dickens, sowohl den Film als auch den Roman, und schloss daraus,

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