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Ein Herzschlag bis zum Tod

Ein Herzschlag bis zum Tod

Titel: Ein Herzschlag bis zum Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara J. Henry
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und Pauls Gesicht wirkte irgendwie verkniffen. Ich hob ihn automatisch auf die Hüfte, und er legte ebenso automatisch den Kopf auf meine Schulter. Philippe zuckte nur mit den Achseln. Entweder wusste er nicht, was los war, oder er wollte später mit mir darüber reden. Simons Gesicht sprach Bände. Vermutlich dachte er: Was für eine nette kleine Familie.
    Ich machte die beiden miteinander bekannt, worauf sich Philippe und Simon ein wenig steif die Hand gaben, wie Männer es tun, wenn sie einander abschätzen.
    Sie sind also der misstrauische Polizist, der Bruder der Frau, die meinen entführten Sohn gerettet hat.
    Und Sie sind der Vater des entführten Kindes, dessen Frau ermordet wurde und den meine Schwester noch nicht mal eine Woche kennt.
    Es ist schwer genug, wenn man Freunde und Familie unter normalen Umständen miteinander bekannt macht. Anscheinend war mir keine Herausforderung groß genug.
    »Paul«, sagte Philippe und legte ihm die Hand auf die Schulter. »Ich glaube, Simon möchte mal dein Zimmer sehen.«
    »Vielleicht könnt ihr die Autorennbahn aufbauen, die ich im |145| Schrank gesehen habe.« Mit diesen Worten stellte ich Paul auf den Boden. »So was mag Simon unheimlich gern.«
    »Oh ja«, erklärte Simon, als gäbe es für ihn nichts Schöneres als Autorennbahnen. Deshalb kommt er auch mit unserer Familie so gut klar. Paul schaute uns unsicher an, doch als wir ermutigend lächelten, nahm er Simon mit.
    »Die Sache mit dem Zeichner lief nicht gut«, sagte Philippe, als die beiden außer Hörweite waren. »Paul sagte dauernd, er könne sich nicht erinnern, wie die Männer ausgesehen haben. Schließlich haben sie etwas zustande gebracht, aber sie mussten ihn die ganze Zeit überreden, damit er überhaupt auf den Bildschirm schaute. Irgendwann fing er an zu weinen und hörte gar nicht mehr auf.«
    »Ich nehme an, er will sich nicht an sie erinnern.« Eine ganz normale Reaktion bei einem sechsjährigen Kind.
    »Ich weiß, aber es ist frustrierend. Ich kann es nicht ertragen, wenn er so aus der Fassung gebracht wird.« Er verzog das Gesicht. »Ich werde heute Nachmittag die Psychologin danach fragen. Jetzt muss ich ein paar geschäftliche Anrufe erledigen. Bei Ihnen alles klar?«
    Ich nickte und ging in Pauls Zimmer. Simon hockte auf dem Boden und spielte mit einem Auto, wobei er die passenden Geräusche von sich gab. Paul lag auf dem Bauch und schaute ihm zu. Sie fragten, ob ich auch mitspielen wollte, doch ich lehnte dankend ab und sah ihnen zu, bis Elise uns zum Essen rief.
    Sie hatte sich selbst übertroffen: knackige grüne Salate und winzige köstliche Pasteten mit knuspriger Kruste. Simon langte ordentlich zu, obwohl er vorhin erst den Bagel gegessen hatte.
    »Kennen Sie sich mit Alarmanlagen aus?«, fragte Philippe, als Simon aufgegessen hatte.
    »Sicher doch.«
    »Könnten Sie mal einen Blick auf unsere werfen?«
    Simon nickte. Unter Männern war das wohl ein Code, um sich unter vier Augen zu unterhalten.
    |146| Im Vorbeigehen fuhr Philippe seinem Sohn mit den Fingern durchs Haar. Ich sah Paul an und klopfte auf meinen Schoß. »Magst du ein bisschen herkommen?« Sofort kuschelte er sich an mich. »Willst du mit deinem Papa und Simon gehen?«
    Er schüttelte den Kopf, und ich rieb ihm sanft den Rücken. »Du weißt, dass du heute Nachmittag mit jemandem sprechen sollst?«
    »Mmm.«
    »Es ist aber nicht wie mit den Polizisten. Du triffst eine nette Frau in einem schönen Büro, und es dauert nicht länger als eine Stunde. Du musst auch nicht reden, wenn du nicht möchtest«, erklärte ich auf Französisch.
    Paul rührte sich. »
Pourquoi?
Warum reden?«
    »Vielleicht fühlst du dich dann besser. Vielleicht möchtest du über Sachen reden, über die du mit uns nicht sprechen magst. Vielleicht kann diese Frau dir helfen, dass du dir keine Sorgen mehr machen musst – wegen der bösen Männer.«
    Er sagte nichts. »Du weißt doch, du bist jetzt in Sicherheit«, flüsterte ich ihm ins Ohr. »Dein Papa lässt nicht zu, dass dir etwas Schlimmes passiert.« Er stieß einen langen Seufzer aus und drückte sich an mich. Ich hielt ihn ganz fest und wünschte mir, ich könnte seine Welt wieder hell und fröhlich machen. Ich wünschte mir, dass die Entführer gefasst und sehr lange in ein kleines Zimmer gesperrt würden.
    Dann drehte er sich um und schaute mich an. »Gehst du auch mit?«
    »Nein, dein Vater fährt mit dir hin. Nur dein Vater. Ich bleibe hier bei meinem Bruder, damit er nicht so allein ist.

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