Ein Herzschlag bis zum Tod
Aber ihr kommt ja bald zurück. Und vielleicht kauft dein Papa dir auch ein Eis.« Bei diesen Worten leuchteten seine Augen auf.
Als Philippe und Simon zurückkamen, verkündete Paul: »Papa, wir müssen unbedingt Eis kaufen.« Dabei schaute er mich beinahe verschwörerisch an. Mein Gott, ich liebte dieses |147| Kind. Diese Energie in ihm, wie er seinen Vater trotz allem, was ihm im Kopf herumging, bearbeitete, ihm ein Eis zu kaufen.
Philippe lachte. »Das ist ja eine Verschwörung. Natürlich können wir Eis essen, wenn wir fertig sind. Allerdings dürfte Elise traurig sein, wenn kein Platz mehr für das Abendessen bleibt.«
Nachdem sie gegangen waren, führte ich Simon in die Bibliothek, und er fuhr mit den Fingern über die Buchrücken, genau wie ich es getan hatte. »Ein schönes Haus.«
»Ja, wirklich nett. Um nicht zu sagen, umwerfend. Worüber habt ihr denn geredet?«
»Schlösser und so was. Er will das Haus sichern, also habe ich ihm ein paar Tipps gegeben. Kleine Verbesserungen.«
»Ihr habt also nur über Schlösser gesprochen?«
»Nicht nur. Vielleicht habe ich ihn auch gefragt, was er für Absichten bezüglich meiner kleinen Schwester hat.« Ich schnitt eine Grimasse. »Mal ehrlich, Schwesterherz, was geht hier vor?«, fragte er ernst.
»Nichts. Gar nichts. Ich bin nur wegen Paul hier. Ich habe ihn gefunden, er vertraut mir, und Philippe meint, meine Anwesenheit hier könnte ihm helfen. Simon, der Mann hat eben erst erfahren, dass seine Frau tot ist. Er hat eben erst sein Kind zurückbekommen. Sieh dich mal um.« Ich machte eine ausholende Geste. »Leute wie er sind mit Filmstars oder Schönheitsköniginnen zusammen, nicht mit jemandem wie mir.«
Ich sagte das ohne Groll, aber Simon ist zu meinen High-School-Zeiten dabeigewesen. Die Jungs damals waren nett zu mir, wenn sie Hilfe in Mathe oder Englisch brauchten, aber sie verabredeten sich lieber mit den kessen Mädchen, die sich schminkten und wussten, wie sie ihr Haar eindrucksvoll nach hinten schleudern konnten. Im Laufe der Zeit war es besser geworden, aber Männer sind einfach sehr anfällig für Glamour und das gewisse Etwas, das ich nicht besitze. Ich war oft genug mit Kate und ihren Freundinnen ausgegangen, um zu wissen, |148| dass ich in solcher Begleitung für Männer praktisch unsichtbar war.
Simon enthielt sich klugerweise eines Kommentars. »Wie lange willst du bleiben?«
»Kommt drauf an, wie lange Paul mich braucht und was die Psychologin sagt. Vielleicht bis er in die Schule kommt und einen geregelten Tagesablauf hat.«
Simon schaute mich an. »Troy, du bist nicht seine Mutter. Und du kannst nicht alles in Ordnung bringen.«
»Ich weiß.« Meine Stimme brach. »Aber ich kann … ich kann ihn noch nicht verlassen.«
Simon wollte gerade antworten, als die Sprechanlage am Tor summte und Elise hineilte. Kurz darauf kam sie mit besorgtem Blick zurück.
»Was ist los, Elise?«
»Ein Polizist. Das sagt er jedenfalls. Er heißt angeblich Jameson und will zu Monsieur Dumond. Ich war mir nicht sicher, ob ich ihn hereinlassen soll.« Sie rang die Hände und schien zum ersten Mal die Fassung zu verlieren.
Ich folgte ihr zum Bildschirm und sah einen dunklen Wagen, der vor dem Eingang stand. Der Mann hinter dem Steuer sah tatsächlich aus wie Jameson, und ich bedeutete Elise, ihn hereinzulassen. Er stieg aus, genauso zerknittert wie gestern und leicht verärgert. Vermutlich hatte Elise sich einen Polizisten anders vorgestellt.
Ich öffnete die Tür.
Als er mich sah, presste er die Lippen zusammen. »Miss Chance«, sagte er ausdruckslos. Offener Argwohn wäre mir lieber gewesen.
»Detective. Philippe und Paul sind gerade nicht da. Wollten Sie –«
Er unterbrach mich und schwenkte einen großen braunen Umschlag. »Ich habe die Zeichnungen mitgebracht.« Dann fiel sein Blick auf Simon.
|149| Ich trat zurück. »Das ist mein Bruder, Simon Chance aus Florida. Simon, das ist Detective Jameson von der Ottawa Police, mit dem du telefoniert hast.«
Wieder Händeschütteln, wieder männliches Abschätzen. Elise, die peinlich berührt war, weil sie einen echten Polizisten hatte warten lassen, führte uns in die Bibliothek und servierte eisgekühlte Limonade auf einem schweren Lacktablett.
»Wann sind Sie angekommen?«, fragte Jameson.
»Vor ein paar Stunden. Können Sie mir sagen, wie die Ermittlungen laufen?«
Achselzucken. Jameson trank langsam und bedächtig von seiner Limonade und stellte das Glas auf einen Untersetzer. »Wir
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