Ein Herzschlag bis zur Ewigkeit
drückt ihr Bein an seines, damit er wisse, daß sie weiß.
»Was ist denn jetzt wieder los, Lieutenant?« Der Ton läßt erkennen, daß sie schon früher mit LaPointe aneinandergeraten ist. Sie weiß nicht, warum, aber der Lieutenant hat sie nie leiden können.
Nicht mal in den alten Zeiten, als sie noch auf den Strich gegangen ist.
LaPointe hält sich nicht lange bei der Vorrede auf. »Da kommt öfter ein junger Bengel hierher. Jung, Italiener, spricht kaum Englisch. Sieht gut aus. Nennt sich wahrscheinlich Tony Green.«
»Hat er Zores?«
LaPointe starrt sie düster an. Er stellt hier die Fragen.
»Okay, ich kenne den Knaben, den Sie meinen«, sagt sie rasch, denn sie spürt, daß er keine Lust hat, lange zu fackeln.
»Nun und?« sagt er. Er hat keine bestimmten Fragen, also ist sie dran mit Reden.
»Was soll ich Ihnen sagen? Ich weiß nicht viel von ihm. Zum erstenmal kam er hier vor ein paar Monaten rein, 'ne Art Stammgast, wissen Sie. Zuerst konnte er nicht mal ›Babyscheiße‹ auf englisch sagen, aber jetzt spricht er schon ganz ordentlich. Manchmal kommt er allein, manchmal mit 'n paar Kumpels …«
»Weiter.«
»Was soll ich sagen? Äh … meistens trinkt er Strega, wenn Ihnen das weiterhilft. Ein Schwanz mehr, der hier rumhängt. Die letzten Tage ist er nicht hiergewesen.«
»Er ist tot.«
»Was Sie nicht sagen!« sagt sie ohne großes Interesse. »Na ja, dann ist ja alles klar.«
»Was ist dann klar?«
»Also … Wir hatten letzten Donnerstagabend 'ne kleine Verabredung. Aber er hat sich nicht blicken lassen.«
»An dem Abend ist er umgebracht worden.«
»Mein Pech. Jetzt bin ich die fünfzig Piepen los.«
»Der wollte dir fünfzig Piepen zahlen?« fragt LaPointe ungläubig. »Wofür? Für 'n Halbjahres-Abonnement?«
»Nein, der wollte ja nicht mich. Der hatte mich schon am ersten Abend, wie er hier war. Der ist ganz scharf auf à la Hintertür. War aber, scheint's, nicht sehr an 'nem Nachschlag interessiert.«
»Wenn er dich nicht wollte – wen dann?«
Sie hebt das Kinn in Richtung Bar.
»Der wollte die Kleine da bumsen, die mir bei der Musik hilft.«
Guttmann wirft LaPointe einen Blick zu. »Mein Gott«, sagt er. »Ein schwachsinniges Kind?«
»Nun mal langsam!« protestiert die Tänzerin prompt. »Mir können Sie da nichts anhängen. Das Kind ist neunzehn. Sie hat die Genehmigung. Fragen Sie den Lieutenant. Sie ist doch neunzehn, nicht wahr?«
»Ja, sie ist neunzehn. Mit dem Hirn einer Siebenjährigen.«
»Na, bitte! Und überhaupt, es macht ihr ja Spaß. Sie sagt nie etwas. Guckt nur die ganze Zeit in die Luft. Hören Sie, ich muß wieder zu meinem Publikum. Der kesse Vater da vorn macht sonst Rabatz. Und hören Sie: Wenn ich irgendwas von dem Italienerbengel wüßte, würd' ich's Ihnen sagen. Das wissen Sie genau, Lieutenant. Scheiße, noch mehr Zores kann ich schon gar nicht brauchen. Aber, wie gesagt, der war nur ein Schwanz mehr, der hier herumhing für 'ne kleine fonne. He, haben Sie den Zivilisten da bemerkt, den mit dem Anzug? Na, das wäre so 'n Perversling für Sie. Wissen Sie, was der unter der Bar macht?«
»Sacre le camp«, befiehlt LaPointe.
Die Tänzerin zieht die Mundwinkel herab und zuckt die Achseln, wobei sie mit dem Mund einen kleinen Furzton der Gleichgültigkeit von sich gibt. Dann steht sie auf und geht in den rückwärtigen Raum, um bald darauf ohne Slippers und Frisiermantel wiederzukommen. Sie erklettert die Tanztrommel und steht voller Ungeduld und Langeweile herum, während das zurückgebliebene Mädchen sich abmüht, die Nadel ohne Geräusch aufzusetzen. Das gelingt ihr nicht, und ein Kratzton ist der Auftakt zu der wimmernden Musik.
Die Tänzerin wirft ihr einen strafenden Blick zu und fängt dann an, von einem Fuß auf den anderen zu schlenkern, fährt mit ihren Daumen rings um ihren Lendenschurz, steckt sie rein und zieht sie wieder raus.
Rasch schwindet der Stachel der Rüge dem Mädchen aus dem weichen Gemüt, und schon bald schaut sie hingerissen hinauf zu der Frau, die da im blauen und orangenen Licht tanzt, und kann den Blick nicht von ihr wenden. Showbusiness!
Guttmann trinkt seinen Ouzo in einem Zuge aus. »Ich muß es leider gestehen, aber langsam gebe ich Ihnen recht.«
»Schauen Sie lieber zu.«
»Dieser Green war wirklich ein Stück Dreck.«
»Ja. Kommen Sie. Gehen wir.«
An der Tür schaut LaPointe noch mal zurück zu der schummerig erleuchteten Bar, die so klein und verloren in der Weite der ungenutzten Tanzfläche
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