Ein Herzschlag bis zur Ewigkeit
Seine Leiche hat man – genau hier gefunden. Und sein Hotel lag in der Stadt – äh – hier. Ich habe die Linie also nach rückwärts ausgezogen.«
»Er ist doch aber sicher nicht südwärts gegangen.«
»Na klar, ist er. Das war der Weg zu seinem Hotel und auch der aussichtsreichste, um ein Taxi aufzutun.«
»Was ist mit seinem Wagen?«
»Bitte?«
»Schauen Sie doch in den Bericht. Da war was mit einem Leihwagen. Den hat man drei Tage später gefunden, nachdem die Leihwagenfirma Verlustanzeige erstattet hatte. Erinnern Sie sich nicht? Der Wagen hatte 'n Strafzettel wegen Überschreitung der Parkzeit vorne dran. Bouvier hat eine seiner klugscheißerischen Notizen darüber gemacht, von wegen Pech gehabt, 'n Parkzettel gerade in der Nacht zu kriegen, wo man umgebracht wird.«
Guttmann tippt sich mit dem Knöchel an die Stirn. »Ja doch! Das hatte ich ganz vergessen.«
»Machen Sie sich nichts draus. Die eine von den drei Linien ist nicht schlecht. Für einen Joan.«
»Wo war der Wagen geparkt?«
»Steht im Bericht, 'n paar Häuserblocks von der Stelle, wo man die Leiche gefunden hat.«
Guttmann nimmt den Ordner über MacHenry, John Albert, zur Hand und blättert ihn schnell durch. Er findet nicht, was er sucht, und muß noch mal zurückblättern. Der Hauptgrund, der Dr. Bouvier instand setzt, von Zeit zu Zeit seine kleinen ›Einblicke‹ zu präsentieren, sind die Querverbindungen, die er zwischen seinen Informationen herzustellen weiß. In den offiziellen Akten des Departments sind der Mord an MacHenry, der Bericht der Leihwagenfirma und der Verkehrsbericht über die Parksünder-Verwarnung in verschiedenen Ordnern abgeheftet, faktisch sogar in verschiedenen Abteilungen. In Dr. Bouviers Ordnern aber sind sie zusammen.
»Hier ist es!« sagt Guttmann. »Mal sehen … der Leihwagen … abgeholt durch die Firma von der Polizeigarage … ah! Geparkt nahe der Ecke Rue Mentana und Rue Napoléon. Mal sehen, was das bringt.«
Er geht wieder an die Wandkarte und trägt die neue Linie ein.
Dann wendet er sich zu LaPointe um. »Na, was sagen Sie dazu, Lieutenant?«
Die drei Linien laufen bis auf ein Dreieck von der Größe eines Fingernagels fast zusammen. Im Mittelpunkt des Dreiecks liegt das Carré St. Louis, ein verwahrloster kleiner Park am Rande der Main.
LaPointe steht auf und geht zur Wandkarte. »Könnte Zufall sein.«
»Ja, Sir.«
»Wir müßten also irgendwo in der Gegend vom Carré St. Louis nach einer Frau suchen, die dreimal innerhalb der letzten sechs Jahre Geschlechtsverkehr hatte. Durchaus möglich, daß diese Beschreibung auf mehr als eine zutrifft.«
»Ja, Sir.«
»Morde werden nicht dadurch aufgeklärt, daß man auf Wandkarten Linien zieht, verstehen Sie?«
»Ja, Sir.«
»Hm-m.«
Guttmann läßt das Schweigen eine Weile wirken, bevor er vorbringt: »Ich wette, Kommissar Gaspard würde mich mit Ihnen mitgehen lassen. Ich bin auch mit seinem Papierkram gerade fertig.«
LaPointe tippt mit seinem dicken Zeigefinger auf das blaßgrüne Rechteck des Platzes. Eine Woche etwa ist es her, als er auf seinen Rundgängen da vorbeigekommen ist. Er versucht sich an die Nacht zu erinnern, in der Green umgebracht wurde. Er denkt an das Denkmal des sterbenden Crémazie.
Pour Mon Drapeau Je Viens Ici Mourir.
Der leere Brunnen mit den Abfällen auf dem Boden. Das Friedenszeichen mit den Farbrinnsalen, die wie ein blutendes Hakenkreuz aussahen. Das Wort L OVE , WO die Spraydose ausging, als sie noch F UCK YO … hinzufügen wollten …
LaPointe nickt. »Also schön. Morgen früh werden wir uns da mal umsehen.« Er geht an seinen Schreibtisch zurück und trinkt seinen kaltgewordenen Kaffee aus, zerknüllt den Becher und wirft ihn in Richtung Papierkorb. »Was sagt sie dazu?«
»Bitte?«
»Ihr Mädchen. Was sagt sie dazu, daß Sie das Department verlassen wollen?«
Aus der Fassung gebracht, zuckt Guttmann die Achseln und geht zu seinem Stuhl zurück. »Oh, sie will, daß ich tue, was ich für richtig halte. Vielleicht … vielleicht hätte ich gar nicht erst eintreten sollen. Ich kam von der Schule mit der Idee, ich konnte was tun, was Nützliches. Sozialarbeit vielleicht. Ich weiß nicht. Ich wußte, wie die Leute zur Polizei stehen, vor allem die jungen, und ich dachte … Na ja, heute weiß ich, daß ich für einen Schutzmann nicht der richtige Mann bin. Vielleicht hab' ich das schon immer gewußt. Die wenigen Tage mit Ihnen haben mir den letzten Schubs gegeben – Sie wissen, was ich
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