Ein Herzschlag bis zur Ewigkeit
Namen weiter.«
»Jawohl, Sir. Wir kamen durch die Straßen um … äh … also, warten Sie. Ich habe die Meldung nach zehn Minuten geschrieben, wir müssen also um zwei Uhr vierzig oder um zwei Uhr fünfundvierzig da durchgekommen sein. Ich habe am Ende der Straße sich was bewegen sehen, aber wir waren schon vorbei, als ich zu meinem Kollegen sagte, er solle mal anhalten. Der fuhr rückwärts, und ich erblickte einen Mann, der die Straße langhopste. Ich sprang raus und lief hinter ihm her, dann stieß ich auf die Leiche.«
»Sie haben ihn verfolgt?« fragt LaPointe.
»Nun … ja, Sir. Das heißt, als ich sah, daß der Kerl da am Boden tot war, rannte ich hinter dem anderen her. Der war aber schon verschwunden. Die Straße war leer.«
»Beschreibung?«
»Nicht viel, Sir. Hab' ihn ja nur einen Augenblick gesehen, wie er fortgehopst war. Ziemlich groß. Dünn. Also, nicht dick. Schwer zu sagen. Er hatte einen weiten, abgeschabten Mantel an, etwa so wie …« Der Beamte reißt den Blick ruckartig von LaPointes unförmigem Mantel. »… Sie wissen schon. Ein alter Mantel eben.«
LaPointe konzentriert sich scheinbar auf das Kondenswasser, das die beschlagene Fensterscheibe neben ihm herunterrinnt. »Il a clopiné?« fragt er, ohne den Beamten anzusehen. »Sie haben zweimal gesagt, der Mann sei ›weggehopst‹. Warum haben Sie dieses Wort gewählt?«
Der junge Mann zuckt die Achseln. »Ich weiß nicht, Sir. Es sah so aus … so 'ne Art Hoppeln. Aber schnell, wissen Sie?«
»Und er war schäbig gekleidet?«
»Es kam mir so vor, Sir. Aber es war dunkel, wissen Sie?«
LaPointe schaut auf die Tischplatte und tippt sich mit dem Knöchel an die Lippen. Dann schnieft er und seufzt. »Sagen Sie, was hatte er für 'n Hut auf?«
»Was für einen Hut?« Der junge Beamte zieht die Augenbrauen hoch. »Ich kann mich an keinen Hut …« Sein Gesichtsausdruck wird plötzlich breit. »Ja! Sein Hut! Ein breiter Schlapphut. Dunkel. Ich verstehe gar nicht, wie ich das vergessen konnte. Er sah so ähnlich aus wie ein Cowboyhut, aber mit 'ner weichen Krempe, wissen Sie?«
Zum erstenmal, seit sie im Roi des Frites sitzen, spricht Guttmann in seinem reinen europäischen Französisch, das die Kanadier ›Parisien‹ nennen, das aber eigentlich dem Französisch von Tours nachempfunden ist. »Sie wissen, wer der Mann ist, nicht wahr, Lieutenant? Der, der da weggerannt ist?«
»Ja.«
Gaspard gähnt und reibt sich die Beine. »Na, sehen Sie, Kleiner, da haben Sie's. So können Sie von mir lernen, wie man Fälle löst. Sie brauchen nur die Leute dazu zu bringen, ihre Verbrechen auf der Main zu begehen und sie dann LaPointe zu übergeben. Kleinigkeit. Das schüttelt der so aus dem Ärmel.« Er spricht zu LaPointe: »Ist schließlich alles Routine. Der Kerl wurde erstochen wegen seines Geldes, und du weißt, wer …«
Aber LaPointe schüttelt nur den Kopf. So einfach ist das nicht. »Nein. Der Mann, den der Beamte hier hat wegrennen sehen, ist ein Penner. Ich kenne ihn. Ich glaube nicht, daß er jemanden umbringen würde.«
»Woher wissen Sie das, Sir?« Guttmanns junges Gesicht ist gespannt und intelligent. »Ich meine … jeder kann einen umbringen, wenn die Umstände danach sind. Sogar Leute, die niemals was stehlen würden, können unter Umständen töten.«
Langsam und gelangweilt richtet LaPointe seine müden, geduldigen Augen auf den Anglo.
»Ah …«, sagt Gaspard, »hab' ich schon erwähnt, daß mein Joan hier auf dem College war?«
»Nein, hast du nicht.«
»Na, was! Er ist alles durch. Bücher, Graduierungen, lange Wörter, Theorien; Finger hoch, wer austreten muß, einen für Pipi, zwei für Kaka.« Gaspard wendet sich zu Guttmann, der tief und traurig Luft holt. »Eins hat mich immer gewundert, mein Kleiner«, fährt Gaspard fort. »Vielleicht können sie mir das bei Ihrer Ausbildung sagen: Wie kommt es, daß ein Mann grinst, wenn er gerade eine ganz besonders harte Kacke scheißt? Ich mein' das ernst, so komisch ist das alles gar nicht, ehrlich.«
Guttmann geht nicht auf Gaspard ein. Er schaut geradewegs auf LaPointe. »Was ich gesagt habe, stimmt doch aber. Oder nicht? Leute, die niemals stehlen würden, können unter den richtigen Umständen töten?«
Die Augen des Jungen sind offen und verletzbar und leuchten vor unterdrückter Verlegenheit und Wut. Nur eine Sekunde, und LaPointe antwortet: »Ja. Das stimmt.«
Gaspard brummt, während er aufsteht und sein verdrehtes Rückgrat streckt. »Okay, das ist
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