Ein Herzschlag bis zur Ewigkeit
mich?«
»Ja, Sir. Oh. Kommen Sie bitte.«
LaPointe schüttelt den Kopf über alle diese jungen Polizisten, als er Guttmann in die Straße folgt, wo gerade ein barhäuptiger Fotograf vom gerichtsmedizinischen Labor die letzten Sachen zusammenpackt.
»Bist du's, LaPointe?« fragt Gaspard aus dem Dunkeln. Wie eine Handvoll anderer, meist älterer Polizeiangehöriger duzt Gaspard LaPointe, nennt ihn aber nie beim Vornamen. Die meisten müßten auch schwer nachdenken, um auf seinen Vornamen zu kommen.
LaPointe hebt die Hand zum Gruß, dann steckt er die Faust wieder in die Tasche seines ausgebeulten Mantels.
Der Gerichtsfotograf sagt zu Gaspard, er würde den Film jetzt ins Quartier Général bringen und ihn zu den eiligen Sachen legen, dann wären die Fotos vormittags fertig. Er zieht die Nase hoch und brummelt: »Kälter als 'ne Hexenmöse!«
»Titte«, verbessert Gaspard geistesabwesend und schüttelt LaPointe die Hand.
»Wir haben den Toten noch nicht durchsucht. Wir haben erst gewartet, bis unser Flash Gordon hier seine Klassefotos macht.«
Gaspard wendet sich an den Fotografen: »Na, fertig? Dann können ja meine Leute das Bündel in die Mache nehmen.«
Das Opfer ist ein modisch gekleideter junger Mann mit ausgestellten Hosen, einem Rollkragenpulli und Lackschuhen. Er ist, als er erstochen wurde, in die Knie gesackt und vornüber gefallen. LaPointe hat noch nie eine Leiche in dieser Stellung gesehen: auf den Knien, den Hintern auf den Fersen, das Gesicht im Kies und die Arme ausgestreckt mit den Handflächen nach unten. Der Tote sieht aus wie ein junger Priester, der in übertriebener Selbsterniedrigung das Hochamt zelebriert.
LaPointe hat Mitleid. Eine Leiche kann häßlich oder friedlich oder böse zugerichtet aussehen. Schlimmer aber ist es, wenn sie albern aussieht. Gehört sich nicht.
Guttmann und ein anderer Kriminalbeamter drehen den Körper um und suchen in den Taschen nach Papieren. In die glatte Wange des Jungen hat sich ein Kieselstein eingedrückt. Guttmann schnipst ihn weg, doch eine dreieckige rosa Delle bleibt zurück.
LaPointe murmelt vor sich hin: »Herz.«
»Was?« fragt Gaspard, während er seine Zigarette austritt.
»Muß einen Stich durchs Herz bekommen haben.« Ohne die Sache logisch anzugehen, läßt sich LaPointe von seiner Erfahrung leiten, die ihm sagt, daß es nur zwei Möglichkeiten gibt, wie der Mann in dieser komischen Haltung gestorben ist. Entweder hat er einen Stich ins Herz gekriegt und war sofort tot oder in den Magen und hat versucht, sich das Loch zuzuhalten. Aber es roch nicht nach Exkrementen, und ein Mann, der einen Stich in den Magen bekommt, beschmutzt sich fast immer infolge eines Schließmuskelkrampfs. Deshalb: Herz.
Um den Körper umzudrehen, müssen ihn die Beamten zuvor strecken. Sie heben ihn unter den Armen auf und ziehen ihn auseinander. Als sie ihn wieder runterlassen, berührt das junge Gesicht den Boden.
»Vorsicht!« sagt LaPointe automatisch.
Guttmann blickt kurz auf in der Annahme, er würde für irgendwas gerügt. Er kann den rumschnauzenden LaPointe schon nicht mehr leiden. Er hat nicht viel übrig für das überholte Idol des rauhbeinigen Bullen, der sich lieber auf seine Fäuste und dummen Redensarten als auf seinen Grips und sein Denkvermögen verläßt. Er kennt den ›LaPointe von der Main‹ aus den begeisterten Schilderungen junger frankokanadischer Polizisten, und LaPointe ist genauso, wie er ihn sich vorgestellt hat.
Kommissar Gaspard zwickt sich ins Ohr, weil er kein Gefühl mehr im Ohrläppchen hat. »Das erste Mal, daß ich einen so hab' knien sehen. Sah aus wie 'n Ministrant.«
Einen Augenblick findet LaPointe es seltsam, daß sie beide die gleiche Vorstellung hatten. Aber schließlich sind sie beide gleich alt und kommen aus der gleichen kirchlichen Tradition. Keiner von ihnen ist mehr praktizierender Katholik, aber sie sind beide in einem einfachen, bibeltreuen Glauben aufgewachsen, der sie für alle Zeit geprägt hat, negativ geprägt, wie eine Gußform negativ geprägt ist. Sie sind Nicht-mehr-Katholiken, was etwas ganz anderes ist als Nicht-mehr-Protestant oder Nicht-mehr-Jude.
Die Kriminalbeamten suchen routinemäßig die Taschen durch. Einer von ihnen steckt die Funde in einen durchsichtigen Plastiksack mit einem Preßverschluß, während Guttmann eine Liste macht, wobei er seinen Notizblock unbeholfen seitwärts kippt, um ein bißchen Licht von der Straße zu erhalten.
»Haben wir's?« fragt Gaspard, als Guttmann
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