Ein Herzschlag bis zur Ewigkeit
seinen Block zuklappt und sich auf die verfrorenen Finger pustet.
»Ja, Sir. Nicht viel. Keine Brieftasche. Kein Ausweis. Bißchen Kleingeld, Schlüssel, Kamm – nichts weiter.«
Gaspard nickt und winkt die Sanitäter heran, die schon mit einer fahrbaren Bahre warten. Mit routinemäßigem Gesicht und Gleichmut verfrachten sie die Leiche auf die Bahre und rollen sie zu den hinteren Türen des Rettungswagens. Die Bahre rumpelt über holpriges Backsteinpflaster, ein Arm hängt runter, die tote Hand wackelt im Rhythmus hin und her.
Man wird die Leiche in die gerichtsmedizinische Abteilung einliefern, dort werden Fingerabdrücke abgenommen und die Kleidungsstücke sowie die Sachen, die man in den Taschen gefunden hat, gründlich untersucht. Die Fingerabdrücke werden per Telefoto nach Ottawa gefunkt, und spätestens am Vormittag dürfte Dr. Bouvier, der Pathologe der Abteilung, den fertigen Bericht vorlegen mit einer Identifizierung des Opfers.
»Wer hat den Toten gefunden?« fragt LaPointe Gaspard.
»Streifenwagen. Die Beamten auf Wache da.«
»Hast du mit ihnen gesprochen?«
»Nein, noch nicht. Kennst du die Leiche?« Im allgemeinen kennt LaPointe jeden, der im Umkreis der Main wohnt, vom Sehen.
»Nein. Noch nie gesehen.«
»Sah aus wie 'n Portugiese.«
LaPointe schiebt die Unterlippe vor und zuckt die Achseln. »Oder wie 'n Italiener. Die Klamotten waren eher italienisch.«
Als sie die Ecke der Seitenstraße erreichen, fährt der Rettungswagen los, die Reifen heulen unnötig auf. LaPointe bleibt vor den wacheschiebenden Uniformierten stehen. »Wer von Ihnen hat den Toten gefunden?«
»Ich, Lieutenant LaPointe«, sagt der Nächststehende schnell. Er hat das rechteckige Gesicht eines Bauern und einen Akzent: Chiac. Wer Chiac spricht, hat Pech, denn mit der Art, die Sprache halb zu verschlucken, verbindet sich traditionsgemäß eine hartnäckige Dummheit. Chiac ist ein Hinterwäldler-Dialekt, den die Komiker gern verwenden, um ihren abgedroschenen Witzen auf die Beine zu helfen.
»Kommen Sie mit«, sagt LaPointe zu dem Chiac-Beamten, und zu seinem enttäuschten Kollegen: »Sie können im Wagen warten. Und stellen Sie das verdammte Ding da ab.« Er zeigt auf das rotierende Rotlicht.
LaPointe, Gaspard, Guttmann und der Chiac-Beamte überqueren die Straße und gehen zum Roí DES F RITES . Der zurückbleibende Polizist ist froh, nicht mehr in der Kälte stehen zu müssen, beneidet aber den Kollegen um sein Glück. Er würde alles daransetzen, mit LaPointe Kaffee zu trinken. Er sieht direkt die Gesichter der Jungens im Umkleideraum, wenn er so beiläufig fallenlassen würde: »Lieutenant LaPointe und ich haben zusammen Kaffee getrunken, und da sagte er zu mir …« Da würde ihm dann jemand ein Handtuch an den Kopf werfen und sagen: »Mensch, dir steht ja die Scheiße bis zu den Augenbrauen.«
Dirtyshirt Red steht auf, als die Beamten in die Helligkeit des Nacht-Cafés treten, doch LaPointe winkt ihm, er solle sich wieder hinsetzen. Er hat ganz automatisch die Ermittlungen übernommen, obwohl sie technisch von Gaspard von der Mordkommission geleitet werden. Ein ungeschriebenes Gesetz im Department lautet, daß alles, was auf der Main passiert, LaPointe gehört. Wer würde sich auch sonst darum reißen! Die vier sitzen an einem der hinteren Tische und wärmen sich die Handflächen an den dicken Steinguttassen. Der Chiac-Beamte ist ein bißchen nervös – er möchte vor Lieutenant LaPointe eine gute Figur machen. Ja, noch mehr: Er möchte im Vergleich mit diesem Anglokanadier, der da um Gaspard rumscharwenzelt, nicht wie ein Idiot dastehen.
»Haben Sie übrigens schon meinen Joan kennengelernt?« fragt Gaspard LaPointe.
»Und ob.« LaPointe blickt den starkknochigen jungen Mann kurz an. Muß ein heller Junge sein. In die Ausbildung für den höheren Polizeidienst kommt man nur, wenn man unter den oberen zehn Prozent der Polizeischulklasse ist, und dann auch nur, wenn man ein Jahr lang Dienst getan und eine Empfehlung von seinem unmittelbaren Vorgesetzten hat.
Als LaPointe bei der Polizei anfing, gab es fast keine Anglo-Bullen. Das Gehalt war zu niedrig, der Job hatte zu wenig Prestige, und die Frankokanadier, die im Department den Löwenanteil stellten, waren Eindringlingen nicht gerade wohlgesonnen.
»Ist kein schlechter Typ für 'n Rundschädel«, sagt Gaspard und zeigt auf seinen Anlernling, als sei der gar nicht anwesend. »Und es ist weiß Gott nicht schwer, ihm was beizubringen. Es gibt nichts, was
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