Ein Herzschlag bis zur Ewigkeit
kommt.
»Können Sie mir was sagen, was nicht im Bericht steht?« fragt LaPointe.
»Aber gewiß doch, eine ganze Menge. Ich könnte Ihnen was von Ästhetik, von Thermodynamik, ja von den sich widersprechenden Theorien der Bedeutung von Stonehenge erzählen, fürchte aber, Ihr Interesse reicht bei weitem nicht so weit. Etwas Licht am Ende des Tunnels: ein berufsbedingter Glücksfall. Sehr schön. Was halten Sie davon: Ihr junger Mann benutzte Haarspray, falls Ihnen das weiterhilft.«
»Überhaupt nicht. Ist die Pressemeldung raus?«
»Nein, die liegt noch hier unter den Ausgängen.« Bouvier deutet vage auf den Aktenstoß auf seinem Tisch. Er gehört zur Praxis dieser Behörde, daß Informationen über Mord, Selbstmord oder Notzuchtfälle erst dann an die Presse gehen, wenn Bouvier mit seinen Untersuchungen fertig ist und die nächsten Angehörigen unterrichtet sind. »Soll ich sie noch zurückhalten?«
»Ja, ein paar Tage noch.« Wenn Presse und Angehörige nicht allzusehr drängen, holt LaPointe seine Erkundigungen lieber vorher ein. Er möchte als erster das Verbrechen bekanntgeben, um beobachten zu können, ob diese Eröffnung gewissen Leuten erwartet oder unerwartet kommt.
»Ich könnte sie wahrscheinlich auch ganz abblocken«, sagt Bouvier. »Ich glaube kaum, daß sich irgend jemand gerade dafür interessiert. Außer vielleicht eine Frau wegen Bruch des Eheversprechens oder wegen 'ner Vaterschaftsklage oder wegen beidem. Der hat kurz vor seinem Tod Verkehr gehabt.«
»Woher wissen Sie das?«
Bouvier schlürft seinen Kaffee, zieht ein Gesicht und blinzelt mit seiner Nikotinlinse in die Tasse. »Schrecklich ist das. Da muß etwas in die Kanne gefallen sein. Werde sie demnächst mal ausleeren und nachgucken. Aber wenn ich's mir richtig überlege, will ich's gar nicht wissen. Sagen Sie, ich höre, Sie sind zusammengeklappt und haben sich einen Joan genommen.«
Dreiviertelblind und niemals raus aus seinem Kabuff, tief drinnen im Gekröse des Behördenbaus, weiß Dr. Bouvier über alles Bescheid, was im Quartier Général vor sich geht. Es ist sein Prinzip, die Leute wissen zu lassen, daß er alles weiß.
»Gaspard hat seinen Joan für ein paar Tage an mich abgestellt.«
»Hm-m. Ich kann mir nicht helfen, aber der Junge tut mir leid. Ist ja auch ein interessanter Bursche. Haben Sie seine Akte gelesen?«
»Nein. Aber Sie vermutlich.«
»Natürlich. War sehr gut auf dem College. Ausgezeichnete Noten. Schlug ein Stipendium für ein Studium mit Promotion in Sozialarbeit aus und ging statt dessen zur Polizei. Ich habe Anzeichen für eine bemerkenswerte Schichtenverschiebung ausgemacht: Jahr für Jahr weisen die jungen Leute, die sich für die Polizei interessieren, mehr Klasse auf. Auf der anderen Seite haben die Verbrecher – denken Sie nur an die Rotznasen, die sich da von einem Amateurüberfall zum anderen durchstümpern, nur um an ein bißchen Shit ranzukommen – immer weniger Klasse als früher. Zu unserer Zeit hatten wir es leichter, als die Leute auf beiden Seiten noch aus dem gleichen Stall kamen – soziologisch, gesinnungsgemäß und moralisch. Aber eigentlich wollten Sie ja wissen, wie ich darauf gekommen bin, daß der junge Mann in der Seitenstraße kurz vor seinem Tod Verkehr gehabt hat. Ganz einfach. Er hat sich danach nicht gewaschen, im krassen Widerspruch zu den väterlichen Ratschlägen in den Verhütungsfilmen der Armee. Ich frage mich, ob die je daran denken, wie gewissenhaft man sie untersuchen wird, wenn sie sich haben ausweiden lassen oder sonstwie ihre irdische Wirrsal abgeschüttelt haben. Ich weiß noch, wie mir meine Mutter immer gesagt hat, ich soll stets saubere Unterwäsche anziehen, für den Fall, daß ich mal von einem Lastwagen überfahren werde. Lange Zeit habe ich damals daran geglaubt, daß saubere Unterwäsche ein Zauber gegen Lastwagen sei – so ähnlich wie der Glaube, daß Äpfel einen vorm Arzt schützen. Wenn ich an all die halsbrecherischen Sachen denke, die ich mitten im dicksten Verkehr zum Vergnügen meiner Freunde abgezogen habe, in dem festen Glauben, ich sei unverwundbar, nur weil ich frisches Unterzeug angezogen hatte! Nun sagen Sie mir, wozu sind die Götter heutzutage nütze? Treibt unser gesalbter Commissioner Resnais noch immer einer glänzenden politischen Zukunft entgegen, so wie er uns dazu treibt, an Königsmord zu denken?«
»Jeden Tag denken sie sich ein neues Formular, ein neues Stück Papierkram aus. Uns kommt der ganze Papierkram ja schon
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