Ein Herzschlag bis zur Ewigkeit
Herrgott noch mal! Sie hatten nicht mal stichhaltige Beweise, ihn mit der alten Frau … wie heißt sie doch gleich? … in Verbindung zu bringen!«
»Sie hieß, verdammt noch mal, Mrs. Czopec: Sie war zweiundsiebzig Jahre alt! Sie wohnte im Keller eines Hauses, das kein fließend Wasser hat. Vor dem Haus liegt ein bißchen verrußte Erde, und im Frühling hat sie sich ein paar Samentütchen schenken lassen und hat die Samen eingepflanzt und sie begossen, und manchmal gingen sogar welche auf. Aber ihr Kellerfenster war so niedrig, daß sie die Blumen nicht sehen konnte. Sie und ihr Mann waren die ersten Tschechen in meinem Revier. Er ist vor vier Jahren gestorben, aber er hatte nicht die Staatsbürgerschaft, und da hat sie nicht viel Unterstützung gekriegt. Sie hat ihr Portemonnaie festgehalten, als dieses Arschloch von Junkie ihr's wegreißen wollte, weil sie nicht mehr hatte als die sieben Dollar bis zum Monatsende. Als ich ihre Wohnung durchsuchte, stellte sich heraus, daß sie von Reis gelebt hatte. Und es steht einwandfrei fest, daß sie gegen Monatsende Papier gegessen hat. Papier, Commissioner!«
»Darum geht es nicht!«
LaPointe springt auf. »Sie haben recht: Darum geht es nicht. Es geht darum, daß sie ein Recht hatte, ihr elendes Leben zu Ende zu leben und ihre dusseligen Blumen einzupflanzen und ihren Reis zu essen und den halben Tag in der Kirche rumzusitzen, wo sie sich noch nicht mal 'ne Kerze leisten konnte! Darum geht es! Und daß dieser Scheißfixer ihr durch die Kehle geschossen hat! Darum geht es!«
Resnais hebt abweisend die Hand. »Schauen Sie, Claude, ich nehme ihn ja nicht in Schutz …«
»Oh? Sie wollen mir also nicht erzählen, daß er unterprivilegiert ist? Vielleicht hat sein Vater ihn nie zum Hockey mitgenommen?«
Resnais gerät aus dem Gleichgewicht. Was ist los mit LaPointe? So aufgeregt kennt er ihn gar nicht. Er ist doch sonst der große Profi, immer ruhig Blut. Wohl war Resnais auf frostige Aufsässigkeit gefaßt, dieser Wutausbruch aber ist … unfair. Um die Situation wieder in den Griff zu bekommen, wird Resnais deutlich: »Dieudonné kommt frei.«
LaPointe bleibt die Sprache weg. Er kann es nicht glauben. »Was?«
»So ist es. Der Staatsanwalt hat gestern mit seinen Anwälten gesprochen. Die haben gedroht, Ihnen eine Anklage nach zwosiebzehn hinzuhauen. Für die Zeitungen wäre das Zucker! Ich muß an mein – ich muß an das Department denken, Claude.«
LaPointe setzt sich. »Sie sind also einen Handel eingegangen?«
»Ich mag diesen Ausdruck nicht. Wir haben getan, was wir konnten. Die Anwälte hätten wahrscheinlich den Fall platzen lassen, wegen der Art, wie Sie zu der Waffe gekommen sind. Wir haben noch Glück, daß das verantwortungsbewußte Leute sind, die Dieudonné genauso ungern frei herumlaufen sehen wie wir.«
»Wie lautet der Handel?«
»Bestens. Dieudonné bekennt sich des Totschlags schuldig, und der Zwosiebzehn gegen Sie ist vergessen. So sieht's aus.«
»Totschlag?«
»So ist es.« Resnais lehnt sich in seinem hochlehnigen Schreibtischsessel zurück und wartet die Wirkung ab. »Sehen Sie, Claude, selbst wenn ich Ihre Methoden gutheißen würde – was ich nicht tue –, die Sache ist doch die: So geht es nicht mehr. Die Beschuldigungen sind nicht stichhaltig.«
LaPointe ist geschlagen und wütend. »Anders hätte ich ihn eben nicht gekriegt. Ohne Waffe gab es keinen stichhaltigen Beweis.«
»Sie merken immer noch nicht, worum es geht.«
LaPointe starrt blind geradeaus. »Lassen Sie Dieudonné ja ausrichten, daß er, wenn er nach seiner Entlassung auch nur einen Fuß auf die Main setzt …«
»Himmelherrgott noch mal! Können Sie denn nie zuhören? Müssen Sie erst von einem Lkw überfahren werden? Sie haben dem … Department lange genug Ärger gemacht! Ich habe mich abgestrampelt, damit dieser Laden hier ein gutes Image bekommt, und was kommt dabei … Schaun Sie, Claude, ich tu' das verdammt ungern, aber ich muß es Ihnen ganz offen sagen. Ich weiß, wie angesehen Sie bei den Jungs hier in dem Laden sind. Sie haben Ihr Revier im Griff, und ich weiß, daß kein anderer und wahrscheinlich auch kein Team das schaffen würde, was Sie schaffen. Aber die Zeiten haben sich geändert. Und Sie haben sich nicht mitgeändert.« Resnais fingert an LaPointes Personalakte herum. »Drei Anerkennungen für hervorragende Verdienste. Zweimal die Polizeimedaille. Zweimal im Dienst verwundet – einmal schwer, wenn ich mich recht erinnere. Als wir
Weitere Kostenlose Bücher