Ein Herzschlag bis zur Ewigkeit
übern Zaun und ist schon halb den Damm runter in den Frachthof, bevor ich ihn zu fassen kriege. Nu sehn Sie sich das hier an!« Er langt nach hinten und zeigt ein großes Dreieck in seiner Hose. »Hab' ich mir an dem verdammten Drahtzaun geholt, wie ich dem Scheißkerl da nachgeklettert bin. Siebenundzwanzig Dollar im Arsch!«
»Im wahrsten Sinne des Wortes«, sagt Guttmann.
»Was?« will der polnische Polyp wessen.
»Hat er Ihnen Schwierigkeiten gemacht?« fragt LaPointe.
»Schwierigkeiten? Wild wie 'ne Katze, die Rasierklingen scheißt – weiter nichts. Das glauben Sie gar nicht, wenn Sie ihn jetzt sehen, aber wir konnten ihn nur zu zweit in den Wagen kriegen. Treten? Um sich schlagen? Brüllen? Man hätte glauben können, wir hätten 'nen flotten Dreier mit der Mutter Oberin gemacht.«
LaPointe schaut zu dem Häufchen Unglück rüber. Der Vet hält die Augen fest geschlossen, während er hin und her wippt und bei jeder Bewegung einen kläglichen hohen Ton von sich gibt. Er ist knapp an der Grenze des Wahnsinns.
»Sie haben ihm nichts gegeben, um ihn zu beruhigen?«
»Nein, Lieutenant. Ihr Joan hat gemeint, nein. War auch nicht nötig. Als wir ihm sagten, Sie würden rüberkommen, hat er sich sofort beruhigt. Fing nur mit dem Wippen und Stöhnen an. Klarer Fall von bekloppt. Siebenundzwanzig Kröten! Und noch keine vier Wochen alt!«
LaPointe geht zum Vet hinüber und legt ihm die Hand auf die Schulter: »He?« Er schüttelt ihn ein bißchen: »He, Vet?«
Der Tramp schaut nicht hoch, er verliert sich ganz in dem trügerisch-animalischen Trost seines Wippens und Stöhnens. Sein Schwingen und Summen gibt ihm Schutz und Geborgenheit. Er will nicht, daß man diesen Wall durchbricht.
LaPointe hat schon oft erlebt, daß Menschen sich wie der da ganz in sich zurückgezogen haben. Er befürchtet, der Vet könne durchdrehen, wenn er ihn nicht auf der Stelle rausreißt. Er nimmt ihm den breitkrempigen Hut ab und zieht ihm am Haar den Kopf hoch: »He!«
Der Penner will ausweichen, doch LaPointe packt fester zu: »Vet? Vet!« Der Uringestank ist streng.
Langsam richtet sich der verschwommene feuchte Blick, Schärfe gewinnend, auf LaPointes Gesicht. Die schlaffen, unrasierten Wangen beben. Als er seinen Mund zum Sprechen öffnet, bildet sich zwischen den Lippen eine dicke Speichelblase und zerplatzt beim ersten Wort.
»Lieutenant?« Ein klägliches, bettelndes Wimmern. »Machen Sie, daß die mich nicht einsperren. Sie wissen, was ich meine? Ich kann nicht in die Zelle! Ich kann nicht! Ich … ich … ich … ich … ich …« Mit jeder Wiederholung steigert sich die Stimme des Vet um einen Ton, während er vollends durchzudrehen droht.
LaPointe reißt an dem fettigen Haar. »Vet! Niemand will dich einsperren!«
»Nein, Sie nicht! Ich kann nicht rein! Ich kann nicht!«
»Hör zu!«
»Nein! Nein! Nein!«
LaPointe versetzt dem Tramp eine schallende Ohrfeige.
Dem Vet verschlägt es den Atem, und seine Backe schwillt an, er reißt die Augen weit auf und starrt den Lieutenant von schräg unten an.
»Jetzt hör mal zu«, sagt LaPointe etwas ruhiger. »Nur zuhören«, sagt er milde. »Einverstanden?«
Der Vet läßt langsam den Atem raus und sagt kein Wort, doch sein Blick bleibt starr, und seine Pupillen ziehen sich kaum merklich zusammen.
LaPointe spricht ganz langsam, klar und deutlich: »Keiner will dich hier einsperren. Verstehst du das? Keiner wird dich hier einlochen.«
Das schräge linke Auge des Penners zieht sich krampfhaft zusammen. Mühsam versucht er zu begreifen. Als es ihm dämmert, sackt sein bisher so verkrampfter Körper erschöpft in sich zusammen. Sein Unterkiefer fällt herab, sein Atem wird langsam, und die blutunterlaufenen Augen rollen sich ein, als schliefe er. LaPointe läßt das Haar los, und das Kinn fällt dem Tramp wieder auf die Brust. LaPointe legt dem Vet wie zum Schutz die Hand aufs Genick, während er sich zu Guttmann umwendet: »Kippen Sie ihm etwas Kaffee rein.«
Guttmann sieht sich nach einer Kaffeekanne um. »Aus dem Apparat!« sagt LaPointe gereizt und zeigt auf den Münzautomaten. Die beiden Uniformierten verlassen das Zollbüro. Der polnische Oldtimer fummelt dabei an seinem Hosenboden herum, will das Loch kaschieren, indes ihm sein Kollege versichert, daß niemand sich für seinen Arsch interessiere.
LaPointe lehnt an der Wand und drückt sich mit der flachen Hand das Haar herunter. »Wenn Sie ihm ein paar Tassen Kaffee eingetrichtert haben«, sagt er zu
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